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Großveranstaltungen: Immer rein in die gute Stube

Paraden, Rennen, Demos. Vor allem an den Wochenenden im Sommer wird es eng in der Stadt. Viele Großveranstaltungen nehmen die City in Beschlag. Was Tourismuswerber freut, ärgert nicht nur Autofahrer.

Vor allem in der Sommersaison beleben Großveranstaltungen inzwischen fast jede Woche die Stadt , sie locken zehntausende Berliner und Touristen an – legen aber auch regelmäßig den Verkehr lahm. Das gilt besonders in den zentralen Innenstadtlagen, aber nicht nur dort: Demos, Umzüge oder Radrennen führen oft gleich durch mehrere Bezirke. Viele Berliner Politiker wollen den Veranstaltern nun engere Grenzen setzen, aber wie dies geschehen soll, ist umstritten.

Am heutigen Sonntag führt die 34. Fahrradsternfahrt des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) auf 19 Routen aus dem Umland über die Avus und den Autobahn-Südring zum Großen Stern und Brandenburger Tor, wo die Grüne Liga ein zweitägiges Umweltfest feiert. Die Sternfahrt ist eine Demonstration – anders als der „Skoda-Velothon“ in der vorigen Woche. Bei dieser Jedermann-Radtour mit 12 000 Teilnehmern gehörte die „attraktive Streckenführung“ zum Konzept: Die Organisatoren warben mit „bedeutenden Sehenswürdigkeiten“ wie dem Brandenburger Tor, dem Potsdamer Platz, dem Flughafen Tempelhof, der Eastside-Gallery, dem Regierungsviertel und der Siegessäule.

Kein Wochenende ohne Großveranstaltung: Am kommenden Sonnabend läuft rund um den Nollendorfplatz in Schöneberg das Lesbisch-Schwule Stadtfest. Am 19. Juni, dem Christopher Street Day, ziehen Homosexuelle vom Kurfürstendamm zur Siegessäule. Die Straße des 17. Juni wird gleich danach gleich wieder gesperrt – dann beginnen die Aufbauten für die Fußball-WM-Fanmeile, die am 23. Juni eröffnet wird. Tradition haben auch der zweitägige Berlin-Marathon im September, das Fest zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober und die Silvesterparty am Brandenburger Tor.

Berlins Tourismuswerber und der Senat betonen, wie wichtig überregional bekannte Veranstaltungen als „Imagewerbung“ und Wirtschaftsfaktor seien. Christian Tänzler von der Berlin Tourismus Marketing GmbH sieht besonders eine „zunehmende Bedeutung der Sportmetropole Berlin“. Als Bundeshauptstadt sei Berlin naturgemäß die erste Adresse für große Events, sagt Petra Rohland, Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder per Rad „kommt man ja trotzdem immer durch“, sagt sie.

„Großveranstaltungen gehören zu einer Großstadt“, sagt auch BVG-Sprecherin Petra Reetz. Wenn das Unternehmen rechtzeitig informiert werde, könne man den Fahrplan anpassen. Die U-Bahn sei sowieso kaum betroffen, und Haltestellen von Bussen und Straßenbahnen werden weiter mit elektronischen Hinweistafeln ausgestattet, die Fahrgäste aktuell auch über ausfallende Fahrten informieren könnten.374 weitere Geräte will die BVG jetzt anschaffen.

Zwiespältig sehen Taxifahrer die mit umfangreichen Sperrungen verbundenen Veranstaltungen. „Der Umsatz geht an solchen Tagen deutlich zurück“, sagt Stephan Berndt von Taxi Deutschland. Statt sensible Bereiche in der Innenstadt zu wählen, sollte man auf Flächen wie das Tempelhofer Feld ausweichen.

Fahrgäste, die trotzdem einsteigen, ärgerten sich oft, weil sie wegen der Umwege mehr zahlen müssten, sagt Detlev Freutel vom Taxi-Verband Berlin. Das Gewerbe profitiere aber auch zum Teil. Oft kämen Besucher nur wegen einer Großveranstaltung in die Stadt und in den Tagen zuvor oder danach führen sie oft auch Taxi. Dagegen klagt auch die Stern- und Kreis-Schifffahrt über Rückgänge der Fahrgastzahlen bei Großereignissen.

Als Hauptproblem gilt, dass sich vor allem zwischen Siegessäule und Alexanderplatz und rund um den Breitscheidplatz in der City-West die „Wünsche aller Veranstalter wie in einem Brennglas konzentrieren“. So steht es in einem Gesetzentwurf des Senats, der die Zuständigkeit für Genehmigungen von den Bezirken auf die Verkehrslenkung Berlin verlagern will. Der Senatsbeschluss stammt bereits vom Juli 2007, aber im Abgeordnetenhaus dauert die Diskussion noch immer an.

Die FDP fordert eine „Richtlinie für die Genehmigungskriterien“, um den Ermessensspielraum der Bezirke zu begrenzen. Unter Staus und Umleitungen leide „besonders die gewerbliche Wirtschaft“, heißt es in einem Antrag. Die Umweltexpertin der Linksfraktion, Marion Platta, will an der bisherigen Aufgabenverteilung festhalten. Franziska Eichstädt-Bohlig, Stadtentwicklungsexpertin der Grünen, begrüßt „gesellschaftliche Ereignisse“ wie die WM-Fanmeile oder den Christopher Street Day; kommerzielle Veranstaltungen will sie dagegen „in Stadtteile verlagern, wo es nicht stört“.

Ellen Haußdörfer, Stadtentwicklungsexpertin der SPD, hält dies für unnötig und nennt „die Menge der Events angemessen für die Hauptstadt“. Der CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici fordert höhere Straßennutzungsgebühren in zentralen Lagen. Darauf dränge bereits die Verkehrslenkung Berlin, sagt der zuständige Gruppenleiter Matthias Maass. Dank der guten öffentlichen Nahverkehrsverbindungen könne Berlin große Veranstaltungen in der Regel „gut wegstecken“. Speziell für die Straße des 17. Juni gelte außerdem schon eine Obergrenze von jährlich etwa 20 Veranstaltungen. Ohnehin sei der Trend zu immer mehr und immer größeren Veranstaltungen allmählich vorbei. Die Antragszahlen blieben weitgehend konstant, „vielleicht als Folge der Wirtschaftskrise“.

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