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Berlin: Gründerzeitbau wird Bürohaus: Erst Fürstenvilla, dann Arbeiterheim

Zwischen den hohen Geschossen an der Vorderfront hängt ein Plakat, das man auch im Vorüberfahren aus der U 1 lesen kann: "Bürohaus mit Stuck und Parkett sowie Loftremise provisionsfrei zu vermieten". Das ist Zukunftsmusik.

Zwischen den hohen Geschossen an der Vorderfront hängt ein Plakat, das man auch im Vorüberfahren aus der U 1 lesen kann: "Bürohaus mit Stuck und Parkett sowie Loftremise provisionsfrei zu vermieten". Das ist Zukunftsmusik. Denn aus dem Haus am Tempelhofer Ufer 11, diesem hellen Gebäude mit riesigem Portal, mit Säulen und Fensterbändern, muss erst etwas werden. "Wir haben es hier mit einem ganz besonderen Kleinod zu tun; die Denkmalpfleger sprechen sogar vom wertvollsten Gründerzeit-Haus in ganz Kreuzberg", sagt Architekt Matthias Wunsch, während die Restauratorin Silvia Koch mit dem Skalpell versucht, unter die sechs, sieben Farb- und Tapetenschichten der Jahrzehnte zu kommen, um den ursprünglichen Zustand ans Tageslicht zu bringen.

Das Haus war 1881 von den Architekten Knoblauch & Wex - Gustav Knoblauchs Name ist mit der Planung und Ausführung der Neuen Synagoge eng verbunden - im Auftrage der Kaufmannsbrüder Carl und Paul Eger errichtet worden. Es kostete die für damalige Verhältnisse sehr beachtliche Summe von 300 000 Mark und galt als eines der teuersten Wohngebäude im gründerzeitlichen Berlin. Die Einrichtung der fast vier Meter fünfzig hohen Wohn- und Gesellschaftsräume in den ersten beiden Geschossen der repräsentativen Stadtvilla war vom Feinsten, wie man heute noch an den Wandverkleidungen mit edlen Hölzern sehen und bei den freigelegten Malereien im Stil der Zeit erahnen kann.

Die Egers verkauften das Haus an den Fürsten Aribert von Anhalt, ihm folgte nach dem Ende der Monarchie eine Siemens-Tochter als Bewohnerin, danach wurde das Haus aufgestockt und diente als Büro- und Gewerbehaus. 1974 richtete die Firma Gegenbauer ein Arbeiterwohnheim ein und unterteilte die ursprünglich großen Büro- in kleine Wohnräume, in den neunziger Jahren schließlich fanden Kriegsflüchtlinge in dem Gebäude ein Dach über dem Kopf.

1999 erwarb die Primus-Immobilien AG das geschichtsträchtige Haus für fünf Millionen Mark. "Wir wollten ein gewerbliches Objekt haben, aber je näher wir uns mit dem Innenleben beschäftigten, desto mehr erstaunten uns die auf den ersten Blick verborgenen Ausstattungen", sagt Primus-Vorstand Michael Kämper. Es gibt Räume, die komplett mit Freihandmalereien bestückt waren, ebenso rar sind stellenweise Intarsien in den Wandtäfelungen, Stuckelemente, Vergoldungen an Deckenteilen und Blütenblättern. "Diese Pracht muss nun erhalten, erneuert und wiederhergestellt werden", sagt Michael Kämper. Der neue Besitzer sorgte gemeinsam mit den Denkmalpflegern dafür, dass das komplette Gebäude (und nicht nur, wie zuvor, nur seine Fassade) als Ensemble auf die Denkmalliste des Landes Berlin kam. 350 000 Mark kostete bisher der Abriss aller störenden, unhistorischen Einbauten, nun investiert Primus zehn Millionen Mark in diese "Herausforderung, den Denkmalschutz mit moderner Büronutzung in Einklang zu bringen", wie es der Architekt Matthias Wunsch sagt.

Das bedeutet: Die künftigen Mieter werden in den Repräsentations- und Arbeitsräumen auf keine Annehmlichkeit moderner Bürokommunikation verzichten, aber dies alles ab Ende Mai 2001 in der Raumdekoration des wiedererweckten historischen Ambientes genießen dürfen. "Wir suchen Mieter, die Stuck, Pilaster, Marmortreppen und Holzverkleidungen zu schätzen wissen", sagt Michael Kämper; 25 Mark Miete soll später der Quadratmeter kosten. 4000 Quadratmeter groß sind sämtliche Räume in den fünf Geschossen und in der original erhaltenen Remise im Hof. Die hat noch zu all dem ihre eigene Historie - als echte Dekoration zu dem Film "Der eiserne Gustav" mit Gustav Knuth in der Titelrolle.

"Für uns sind diese Remise im Hof und vor allem die beiden ersten Geschosse im Vorderhaus interessant", sagt der Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde von Kreuzberg, Olav Vogt, und bescheinigt der Primus-Immobilien AG einen "wirklich vorbildlichen denkmalpflegerischen Umgang". Das ist ja bei Bauherren nicht immer der Fall, doch "hier macht es richtig Spaß, mit denen zu arbeiten".

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