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Seit fünf Jahren im Abgeordnetenhaus: Stefanie Remlinger von den Grünen

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Grüne Fraktion Berlin: Flügelkämpfe überschatten Neuanfang

Fraktionslinke erteilt nicht nur der profiliertesten grünen Bildungsexpertin Stefanie Remlinger eine Abfuhr.

Die Realos in der grünen Abgeordnetenhausfraktion haben nach der Wahl deutlich an Einfluss verloren: Auf ihrer Sitzung am Dienstag konnten sich die Linken mit mehreren Personalien durchsetzen. Prominentestes Opfer ist die angesehene bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, Stefanie Remlinger: Sie verlor ihren Posten an die dem linken Flügel zugehörige Marianne Burkert-Eulitz. „Die Fraktion hat einen großen Fehler gemacht“, kommentierte die ehemalige grüne Bildungssenatorin Sybille Volkholz den Vorgang. Der ehemalige Kreuzberger Bildungsstadtrat der Grünen, Dirk Jordan, sagte dem Tagesspiegel, er sei "entsetzt, wie Gruppeninteressen die bildungspolitische Arbeit der Grünen für eine gute Berliner Schule kaputt machen".

Remlinger galt in den vergangenen fünf Jahren als diejenige Abgeordnete im Bildungsausschuss, die sich am besten in allen entscheidenden bildungspolitischen Fragen auskannte und sich besonders engagierte. Zudem verschaffte sie dem Schulbereich zusätzliche Aufmerksamkeit, weil sie zugleich im Hauptausschuss Schulfragen - etwa rund um den Sanierungsstau - nach vorn brachte. „Sie hatte mir den Glauben an die Politik zurückgegeben“, wird eine Schulleiterin zitiert, die ebenfalls gehofft hatte, dass die Fraktion Remlinger im Amt belässt.

"Ein Reputationsverlust grüner Bildungspolitik“

Die Personalie zeichnete sich intern schon vor einer Woche ab. Daraufhin hatte sich die Landesabeitsgemeinschaft (LAG) Bildung der Grünen mit einem Brief an die Fraktion gewandt, um ihre "Sorge und Unverständnis" über die drohende Entscheidung zu äußern. Stefanie Remlinger habe grüne Bildungspolitik in den vergangenen Jahren "entscheidend mit geprägt und nach Außen hin erfolgreich vertreten" heißt es in dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt. Sie genieße "hohes Ansehen bei den Berlinerinnen und Berlinern, die sich im Bildungsbereich engagieren".

Wenn Remlinger als bildungspolitische Sprecherin nicht wiedergewählt werde, bedeute dies einen „Reputationsverlust grüner Bildungspolitik“, heißt es weiter im Brief der LAG.

Jetzt geht es um die Berufsschulen

Remlinger war am Dienstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Dem Vernehmen nach wurde ihr nur die berufliche Bildung als verkleinerter Sprecherbereich angeboten. Dieses Feld hatte sie in den vergangenen fünf Jahren überhaupt als einzige Abgeordnete ernsthaft bearbeitet. Es wird aber seit langem von Berufsschulvertretern gefordert, dass allgemeinbildende und berufliche Schulen nicht getrennt sondern gemeinsam vertreten werden, zumal sie auch im selben Senatsressort zusammengefasst sind. Immer wieder hatte sich Remlinger dafür eingesetzt, diese Bereiche besser zu verzahnen. Daher ist unklar, ob sie das Angebot annimmt.

"Als Berufsbildner halte ich nichts davon, die Zuständigkeit  für die berufliche Bildung von der Allgemeinbildung abzutrennen", hatte denn auch der langjährige Berufsschulleiter sowie Vorsitzender des Schulleitungsverbandes Berufliche-Bildung-Berlin, Pit Rulff, den grünen Fraktionären im Vorfeld der entscheidenden Sitzung geschrieben. Das machte auf die Linken ebensowenig Eindruck wie die Tatsache, dass Rulff sich als "Gründungsmitglied von AL und Grünen" zu erkennen gab.

"Wir Grünen stellen uns gleich am Anfang selbst ein Bein"

Die Entscheidung der Fraktion stößt auch deshalb auf Unverständnis, weil Remlinger von der Landesmitgliederversammlung der Grünen ausdrücklich in ihrer Eigenschaft als Bildungspolitikerin für das Abgeordnetenhaus nominiert worden war. Rulff hatte die Fraktion denn auch auch gefragt, „ob auch wir Grünen gleich am Anfang uns selbst ein Bein stellen wollen, indem Stefanie den Bildungsbereich nicht weiter namhaft und engagiert vertreten darf.“ Rulff und Remlinger hatten beide maßgeblich bei der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung mitgewirkt.

Neben der Bildungspolitikerin wurden auch andere Realos wie der bisherige bau- und wohnungspolitische Sprecher Andreas Otto teilweise entmachtet: Er behält dem Vernehmen nach nur den Baubereich.

"Der ganze Aufbruch ist vermasselt", fasste ein langjähriges Parteimitglied die Lage zusammen. Die "Ideologen" um den ehemaligen Parteivorsitzenden und neuen parlamentarischen Geschäftsführer Daniel Wesener hätten sich durchgesetzt. Wesener hat ebenso wie Marianne Burkert-Eulitz lange Zeit in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg Politik gemacht. Burkert-Eulitz war seit 2011 jugend- und familienpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus.

Die jüngste Abgeordnete bekommt den Jugendbereich

Diesen Posten bekam nun das jüngste Mitglied des Abgeordnetenhauses, June Tomiak. Über Facebook teilte die 19-Jährige am Dienstag mit, dass sie "als Sprecherin für Jugend und Strategien gegen Rechtsextremismus" gewählt worden sei. Sie werde zukünftig dem Innenausschuss, dem Ausschuss für Verfassungsschutz und dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie angehören.

Burkert-Eulitz genießt als Jugendpolitikerin Respekt. Dass sie ihren Sprecherposten in diesem Bereich abgab und stattdessen gegen die angesehene Stefanie Remlinger antrat, wurde am Dienstag teils mit Verwunderung quittiert, teils hieß es, als Parteilinke habe sie gar nicht anders agieren können.

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