zum Hauptinhalt

Berlin: Grüne Woche in Peking

Messe-Chef Hosch will ins Auslandgeschäft einsteigen. Der Senat plant Zuschüsse von 65 Millionen Euro

Rock in der Deutschlandhalle, HipHop im Casino, Punk im SO 36 – die Musikmesse Popkomm ist in Berlin angekommen. Auch wenn eine neue Messe ein paar Jahre Anlauf braucht, bevor sie dem Veranstalter Geld bringt: Der Umzug von Köln nach Berlin war ein erfolgreicher Coup. Die Popschau passt blendend zum Image der kreativen Hauptstadt. 663 Aussteller präsentieren sich in den Messehallen, 400 DJs und Bands sorgen für die Begleitmusik, dutzende Clubs laden zur Party. Während Berlin die Popkomm feiert, wird hinter den Kulissen um die Zukunft der Messe gerungen.

Eine Grundsatzvereinbarung zwischen dem Senat und der Berliner Messe soll ihr den Einstieg ins Auslandsgeschäft ermöglichen. Messechef Raimund Hosch zufolge will der Senat der Messe bis 2008 13 Millionen Euro jährlich für die Wartung und Instandsetzung der teuren Immobilien überweisen. Durch diese vor allem von Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) unterstützte Zusage könne die Messe in die Zukunft planen. „Wird die Vereinbarung so verabschiedet, können wir die nötige Internationalisierungsstrategie fahren“, sagte Hosch dem Tagesspiegel.

Hosch will nun mit Ablegern erfolgreicher Berliner Messen wie der Grünen Woche und der Internationalen Tourismusbörse (ITB) im Ausland Geld verdienen. Doch noch ist die Vereinbarung, die schon längst vom Senat verabschiedet sein sollte, nicht unterzeichnet. Dort gebe es noch „Gesprächsbedarf“ über die Zielvereinbarung, sagte ein Sprecher von Wirtschaftssenator Wolf dem Tagesspiegel. Mit einer Unterzeichnung rechne man aber noch im Oktober.

Die Messe ist wegen hoher Kosten auf Zuschüsse angewiesen – eine Erblast der Vergangenheit. In den überschwänglichen Jahren nach der Vereinigung wurde die Gebäudefläche von 84000 auf 160000 Quadratmeter ausgebaut. Viel zu teuer: „Der Ausbau kostete 13000 Euro pro Quadratmeter Messefläche“, rechnet Hosch vor, der bis 1999 Geschäftsführer der Messe Frankfurt war. „In Frankfurt wurden pro Quadratmeter Messefläche 2200 Euro verbaut, in Hannover sogar nur 1200 Euro.“ Die teuren Hallen ziehen Hosch zufolge überdurchschnittlich hohe Kosten nach sich. Hinzu kommen erhebliche Kosten für das teure ICC und die Deutschlandhalle. Alles in allem muss die Messe, Hosch zufolge, rund 30 Millionen Euro jährlich für Wartung und Instandhaltung aufbringen – viel mehr als der geplante Senatszuschuss von 13 Millionen Euro.

Trotz hoher Kostenlast sieht Hosch die Messe auf gutem Weg: Im Kerngeschäft arbeite die Gesellschaft mit einer Umsatzrendite von zehn bis 15 Prozent höchst rentabel. Wie bei anderen Messen auch schwankt der Umsatz von Jahr zu Jahr deutlich, denn Großveranstaltungen wie die Funkausstellung IFA und die Luftfahrtschau ILA finden nur alle zwei Jahre statt. Doch die Messe ist eindeutig auf Wachstumskurs: 1999 lag der Umsatz bei 103 Millionen Euro, in den vergangenen beiden Jahren zwischen 120 und 130 Millionen Euro. Aktuelle Zahlen will Hosch dem Messe-Aufsichtsrat am heutigen Donnerstag vorlegen.

Weil das Gelände zu den wichtigsten Messeterminen im Frühjahr und im Herbst schon mit Veranstaltungen belegt ist, will Hosch auf der neuen Finanzgrundlage vor allem im Ausland wachsen. Erste Schritte sind schon gemacht: „Für die Tourismusbörse ITB und die Grüne Woche haben wir eine gemeinsame Absichtserklärung mit Partnern in Peking unterzeichnet“, sagt Hosch. „Als Veranstalter der wichtigsten Tourismusmesse der Welt sind wir für die Chinesen ein attraktiver Joint-Venture-Partner.“ Dass vor allem Peking Interesse an einer Kooperation mit Berlin habe, liege womöglich an den Gemeinsamkeiten der beiden Partnerstädte: „Peking und Berlin sind kulturelle und politische Zentren, haben aber wirtschaftlich Aufholbedarf im Vergleich zu anderen Metropolen.“

Die Oppositionsparteien im Berliner Abgeordnetenhaus kritisieren die Messestrategie des Senats – mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die CDU bemängelt, die in Aussicht gestellten Mittel reichten für eine Expansion des Messegeschäfts nicht aus. „Dadurch gehen Berlin Wachstumschancen und Arbeitsplätze verloren“, kritisiert ihr wirtschaftspolitischer Sprecher, Michael Dietmann. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus, fordert: „Im Messe-Pachtvertrag müssen stärkere Anreize zur Kostenreduzierung enthalten sein.“ Zudem mahnt sie ein Senatskonzept für die überfällige Sanierung des ICC an.

Auch für dieses Problem hat Messechef Hosch schon eine Lösung parat. Sein Traum: Ins ICC zieht eine Spielbank ein, die Gewinne gehen in eine Stiftung, die Sanierung und Wartung übernimmt. Ein Abriss des Gebäudes kommt für Hosch nicht in Frage: „Das ICC ist ein Berliner Wahrzeichen und als Kongresszentrum in Europa unübertroffen“, sagt Hosch. „Nur die Hotels in Las Vegas haben eine bessere Auslastung.“

Zur Startseite