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Berlin: Grüne Woche: Mein Freund, der Baum, ist durch

Wenn Matt Bush die Arme ausbreitet, erinnert das an die Spannweite einer Boeing 737. Der Hüne könnte sich als Spielmacher beim Basketball ebenso verdingen wie als Angreifer auf dem Football-Feld.

Wenn Matt Bush die Arme ausbreitet, erinnert das an die Spannweite einer Boeing 737. Der Hüne könnte sich als Spielmacher beim Basketball ebenso verdingen wie als Angreifer auf dem Football-Feld. Doch Matt Bush hat sich einer anderen sportlichen Spielart verschrieben. Wenn der 35-Jährige aus Croghan im amerikanischen Bundestaat New York zuhaut, dann fallen Späne. Bush ist professioneller "Woodchopper", oder, wie die Bayern sagen, Holzhackerbua. Der Mann wie ein Baum leitet mit seinem 59-jährigen Kompagnon Jim Colbert auf der Grünen Woche zum ersten Mal ein "Timbersports Trainings Camp" für Holzhack-Einsteiger in Halle 26a.

Zum Thema Online Spezial: Grüne Woche 2002 Deutschland zottelt hinterher, wie immer, Gräben tun sich da auf zwischen Axtschäften und Zimmermannsstiefeln auf der wegweisenden Fressmesse unterm Funkturm. Denn in den Vereinigten Staaten greifen längst College-Mannschaften gegen Dollars bei Profi-Meisterschaft zur Kettensäge. Ökofreaks können sich wieder setzen: Das Nutzholz wird gespendet oder gekauft oder sollte sowieso gekappt werden. Für die Holzfällerei auf der Grünen Woche ließ die Veranstalter-Firma "Stihl" Pappelstämme schälen und entasten. Sonst werden Zahnstocher und Streichhölzer daraus gestanzt - jetzt spritzen die Späne bei jedem Hieb aus dem Klotz. Ein hölzernes Feuerwerk.

Auf Tausende Zuschauer wie bei den US-Wettkämpfen bringt es der hiesige Haudrauf-Event nicht, aber die Leute bleiben stehen. Nicht nur Männer. Typen wie Matt haben einen Schlag bei den Frauen. "Sei ganz relaxed, behalte die Axt unter Kontrolle, rhythmisch schlagen", mahnt der 35-Jährige Holzunternehmer mit sanfter Stimme - und Karlheinz Dengler aus Widdern bei Heilbronn kommt unter der Basecap ins Schwitzen. Rasenrandschneider und Wiesentraktoren haben in der Arena nichts zu suchen. Zwei Dinge braucht der "Woodchopper": Holzklotz und Schneidewerkzeug. "Timbersports sind verdammt nah an der Zielgruppe", weiß PR-Fachfrau Monika Schneider. Der Werkzeugmaschinenhersteller will Förster, Waldarbeiter und andere ganze Kerle begeistern. Wenn sie wüsste.

"In den USA haben wir viele Sozialarbeiter, Therapeuten und Lehrer", erzählt Bush - die sich so den Frust von der Seele schlagen. Beim "Single Buck" (einhändiges Stammsägen), "Stock Saw" (mit Elektro-Sägen-Einsatz) oder auch "Underhand Chop". Das kennt man aus dem Fernsehen, "im DSF - falls Sie mal nachts wachliegen", empfiehlt Frau Schneider. Da steht also einer breitbeinig auf dem querliegenden Stamm - und haut ins Holz unter den Füßen. Bei dieser Prozedur aber besser nicht die ritterrüstungsgleichen Schutzschuhe vergessen.

Matt Bush braucht sie nicht mehr. Der "Six foot four"-Mann schlägt mit Präzision. "Woodchopping ist wie Golfen: Arme lang, Hüfte drehen." Mein Freund, der Baum, ist durch: Hieb für Hieb, 30 Zentimeter in 20 Sekunden. "Da kann man echt noch eine Menge lernen", freut sich Ralf Dengler, 37, der Bruder von Karlheinz, auch aus Widdern und seines Zeichens Bauingenieur. Mit seiner Frau, einer Schreinerin, hat er die Treppe daheim "aus Eiche gebaut, die schon mein Großvater schlug". Der Dritte im Bunde ist Bruder Markus, 29. Die drei vom Traininingscamp wollten eigentlich noch für die Grüne Woche im Wald üben. Aber bei Frost kapituliert auch die schärfste Axt.

Annette Kögel

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