zum Hauptinhalt
Eine Stimmkarte wird bei der Landesdelegiertenkonferenz der Berliner Grünen in die Höhe gehalten.

© Christoph Soeder/ dpa

Update

So lief der Parteitag der Grünen: „Biowein, vegan produziert und in Mehrwegflaschen“

Am Sonnabend trafen sich die Berliner Grünen zur Delegiertenkonferenz. Kritik gab es am Koalitionspartner SPD und der eigenen Senatorin.

Von Sabine Beikler

9000 Mitglieder hat die Grünen-Partei in Berlin inzwischen – ein beachtlicher Zuwachs von 2000 Neu-Mitgliedern innerhalb eines Jahres. Das Durchschnittsalter beträgt unter allen Mitgliedern 42 Jahre, der Frauenanteil 42 Prozent. Die Partei erinnert sich aber auch an altgediente Mitglieder wie Michael Cramer, der 15 Jahre im Abgeordnetenhaus und 15 Jahre Verkehrspolitiker im Europa-Parlament war.

Der Verkehrspolitiker Michael Cramer (Die Grünen).
Der Verkehrspolitiker Michael Cramer (Die Grünen).

© Thilo Rückeis

Cramer wurde am Sonnabend auf dem Parteitag der Berliner Grünen im Park Inn Hotel am Alex verabschiedet – die Rede hielt sein langjähriger politischer Weggefährte, Ex-Justizsenator, Ex-MdB und Ex-Abgeordneter in Berlin, Wolfgang Wieland, halten. Inhaltlich passt es gut, dass Verkehrspolitiker Cramer die Grünen besuchte: Die Partei wollte über mehrere Anträge zur autofreien Innenstadt, zur Internationalen Automobil-Ausstellung, zum U-Bahn-Ausbau und zum klimapolitischen Leitantrag abstimmen.

Die Grüne Jugend war zunächst optimistisch, eine Mehrheit für ihren Antrag zu erhalten, den kompletten Individualverkehr bis 2030 aus Berlin verschwinden zu lassen. Die Formulierung des Landesvorstands lautet deutlich moderater: „Im ersten Schritt streben wir eine verbrennerfreie Innenstadt und lebendige, autofreie Kieze in allen Bezirken Berlins an. Unser großes Ziel bleibt jedoch eine größtmögliche autofreie Innenstadt.“

Doch die Mehrheit der Grünen stimmte gegen Antrag der Grünen Jugend, bis 2030 den motorisierten Individualverkehr aus der Stadt Berlin zu verbannen. Es gab 70 Nein-Stimmen, 57 Ja-Stimmen und sechs Enthaltungen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ein weiteres Thema auf dem Parteitag war die IAA:  Berlin will sich um die Ausrichtung der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) bewerben. Auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) begrüßte die Bewerbung. Nur machte ihr die eigene Partei einen Strich durch die Rechnung.

74 Delegierte sprachen sich auf dem Parteitag der Berliner Grünen für einen Antrag aus Friedrichshain-Kreuzberg aus, Berlin als Standort für eine IAA abzulehnen. 66 Delegierte plädierten gemäß einer Vorlage des Landesvorstands für eine Neuausrichtung der IAA als Mobilitätsmesse.

Pop reagierte auf dem Parteitag auf die Entscheidung sichtlich getroffen: „Allen ist klar, dass die alte IAA in Berlin keine Perspektive hat. Es ist richtig, eine Plattform für eine moderne nachhaltige Mobilität zu erwarten. Man muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass es ein klares Misstrauen in die Automobilindustrie gibt, dass sie sich verändert“, so die Wirtschaftssenatorin. „Die Autoindustrie steht vor der Herausforderung, das Misstrauen aus dem Dieselskandal und Rückstand bei Elektromobilität abzubauen.“

Pop sprach sich vor kurzem für eine moderne IAA aus, „die die neuen Mobilitätserfordernisse von Sauberkeit, Freiheit von fossilen Brennstoffen und Digitalisierung in den Vordergrund stellt. Das wäre ein Gewinn für Berlin und für die Autoindustrie“.

Der Regierende Bürgermeister warb ebenfalls für die Neuausrichtung der IAA in Berlin. „Berlin bewirbt sich selbstbewusst als zukünftiger Standort für die IAA“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor kurzem. „Unsere Stadt ist als Bundeshauptstadt und internationale Metropole der richtige Standort für eine Ausstellung, die als globale Leitmesse der Automobilindustrie die Mobilitätswende gestaltet, Themen setzt, Visionen formuliert und das Mögliche zeigt“, so der SPD-Politiker. Berlin wolle Schaufenster sein für nachhaltige Mobilitätsangebote - von der Entwicklung über die Erprobung bis zur Umsetzung.

Wie die Wirtschaftssenatorin sich bei einer Abstimmung im Senat über eine IAA in Berlin verhalten werde, ließ sie am Sonnabend noch offen. 

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Nun liegt auch eine moderate Fassung vor: Demnach lehnen die Grünen eine IAA in der heutigen Form ab. Alternativ schlägt die Partei eine Neuausrichtung als Internationale Mobilitäts-Messe (IMM) vor, bei der nachhaltige Mobilität im Vordergrund stehen soll.

Die Grünen stimmten mehrheitlich dem Antrag aus Kreuzberg zu, Berlin als Standort für die IAA abzulehnen. Damit hat der Landesvorstand sich mit seinem Antrag, dass Berlin eine Mobilitätsmesse haben will, knapp nicht durchsetzen können.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Beim U-Bahn-Ausbau mussten sich die Delegierten entscheiden zwischen der Forderung des Landesvorstands, dass Straßenbahnausbau Vorrang vor U-Bahn-Ausbau habe, und einer Formulierung, die eine Vervollständigung und Ausbau des U-Bahn-Netzes fordert, aber den Ausbau der Straßenbahn gleichstellt. Schließlich lehnten die 150 Delegierten den Antrag ab: Es gilt die modifizierte Version des Landesvorstands, wonach der Ausbahn von Straßenbahnen Vorrang vor dem U-Bahn-Ausbau hat.

„Wir bringen hier zusammen, was zusammen gehört – nämlich das Ökologische und das Soziale“ sagte Parteichef Werner Graf vor der Abstimmung. Kämpferisch in Richtung SPD betone er, dass „hier heute bei uns der heiße Scheiß passiert“, während nicht weit vom Park Inn Hotel am Alex die SPD ihren Parteitag habe.

Werner Graf, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen Berlin.
Werner Graf, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen Berlin.

© Christoph Soeder/dpa

Selbstbeschäftigung steht bei den Berliner Grünen derzeit nicht an, dafür einen radikalen Blick auf Klimaschutz und Ökologie. „Hätte man uns Grüne vor zehn, 20 und 30 Jahre nicht ausgelacht, uns nicht als Öko-Spinner abgetan – wir müssten das Ruder heute nicht so heftig rumreißen“, so Graf. Der Grünen-Politiker betonte in seiner politischen Rede, für die er viel Beifall erhielt, dass die Grünen den Mut hätten, „Berlin umzubauen, und zwar sozial und ökologisch“.

Unter diese Kernaussage fallen Forderungen für eine bessere Radinfrastruktur, einen modernen ÖPNV, eine City-Maut, mehr Investitionen in Bus und Bahn, Nachtzüge, Alternativen zum Flugverkehr, die Einführung eines CO2-Preises, aber auch nach „Biowein, vegan produziert und in Mehrwegflaschen“.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Graf kam auch auf die Wohnungspolitik zu sprechen. Im rot-rot-grünen Senat sehen sich die Grünen als „Stimme der Vernunft, die alle anderen wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt“. In der Koalitionsauseinandersetzung, die vor allem zwischen SPD und Linken hart geführt wurde, waren es die Grünen, die moderierend eingriffen.

Aber nun ist es diese Partei, die den Mietendeckel wieder öffnen will, Genossenschaften vom Deckel ausnehmen wollen, damit diese mit den Einnahmen aus moderaten Mietsteigerungen auch neue Wohnungen bauen können.

Antje Kapek, Grünen-Fraktionsvorsitzende, und Raed Saleh, SPD-Fraktionsvorsitzender in Berlin.
Antje Kapek, Grünen-Fraktionsvorsitzende, und Raed Saleh, SPD-Fraktionsvorsitzender in Berlin.

© Christoph Soeder/dpa

Graf forderte zudem eine Bundesratsinitiative des Senats, damit der Verlust der Gemeinnützigkeit nicht als „Schwert gegen politisch Aktive“ instrumentalisiert werde. Als konkretes Beispiel nannte er den Entzug der Gemeinnützigkeit für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes oder bei attac. Und er forderte, dass das Antidiskriminierungsgesetz, das seit Monaten in der politischen Beratung hängen geblieben ist, endlich zu beschließen.

Saleh: Schlussstrich unter der „Selbstbeschäftigung der SPD“

Auch die Koalitionspartner haben ihre Vertreter auf den Parteitag geschickt: Katina Schubert, Parteichefin der Linken, und SPD-Fraktionschef Raed Saleh.

Saleh forderte die neue SPD-Führung auf, „sich nicht mehr weiter mit sich selbst zu beschäftigen. Ich erwarte von der SPD-Spitze, dass sie Konzepte entwickelt, wie man das Stadt-Land-Gefälle ausgleicht, und wie man die soziale Gerechtigkeit weiterbringt“. Saleh, der nach eigenen Worten „weiterhin gegen die Große Koalition ist“, warnte seine Partei davor, diese Koalition permanent infrage zu stellen.

„Wenn Du einen Vertrag eingehst, hast Du die Pflicht vertragstreu zu sein und diesen Vertrag zu Ende zu führen.“ Es müsse ein Schlussstrich unter der „Selbstbeschäftigung der SPD“ gesetzt werden, damit es eine reelle Perspektive für Rot-Rot-Grün im Bund geben werde. Saleh besuchte den Parteitag der Berliner Grünen, bevor er zum SPD-Parteitag aufbrach.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false