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Berlin: Grünkohl und Hightech

Von Matthias Oloew Helmut Holl ist allergisch. Nicht auf Pollen, nicht auf Lebensmittel, nein, der Bevollmächtigte des Landes Niedersachsen beim Bund reagiert allergisch, wenn man ihn als Botschafter Niedersachsens bezeichnet.

Von Matthias Oloew

Helmut Holl ist allergisch. Nicht auf Pollen, nicht auf Lebensmittel, nein, der Bevollmächtigte des Landes Niedersachsen beim Bund reagiert allergisch, wenn man ihn als Botschafter Niedersachsens bezeichnet. Botschafter, das klingt für ihn nach Cocktails trinken, Honneurs machen, und vor allem danach, dass die Botschafter, kaum dass sie da sind, auch schon wieder weg sind. Helmut Holl aber will nicht so schnell wieder weg aus Berlin. Er ist seit 1994 im Amt und damit der dienstälteste unter den Vertretern der Länder beim Bund. Holl übernahm das Amt von Jürgen Trittin, der, als in Hannover eine rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder amtierte, den Stellvertreter Niedersachsens gab. Seit 1994 regiert die SPD allein, und Holl ist ihr Repräsentant. Als Staatssekretär ist er Mitglied der Landesregierung und als solches vor allem an der Gesetzgebung des Landes und des Bundes beteiligt. „Das ist der Kern unserer Aufgabe“, sagt er, also eher Staatsdiener denn Aushängeschild.

Niedersachsen ist seit dem vergangenen Jahr In den Ministergärten präsent. Zusammen mit Schleswig-Holstein ist das Land unter das gemeinsame Dach geschlüpft, das das Architekten-Paar Cornelsen und Seelinger nach einem eingeschränkten Wettbewerb entworfen hatte. Moderne, helle Räume sind die Büros geworden, fast ganz ohne landestypische Folklore an den Wänden. Einzige Ausnahme: ein ostfriesischer Kachelofen im Restaurant als Dekoration, der allerdings nicht funktionstüchtig ist. Holls Büro mit einem Schmidt-Rotluff als Leihgabe aus dem Sprengel-Museum in Hannover, hat Fenster zum Tiergarten und zum Reichstag, unterm Dach liegt die Wohnung für den Ministerpräsidenten, wenn er in der Stadt ist. „Unseren Besuchern gefällt der Bau“, sagt Holl, „modern, großzügig und trotzdem nicht verschwenderisch.“ Das schätzen die Niedersachsen, so ihr oberster Staatsdiener in Berlin.

Die Wohngemeinschaft mit dem nördlichen Nachbarn Schleswig-Holstein ist natürlich kein Zufall, schließlich sind beide SPD-regiert. Die Doppel-Vetretung spart Kosten für beide Seiten, den großen, glasüberdachten Innenhof mit dem Cafébereich nutzen beide gleichermaßen. Es ist ein gefragtes Ausflugsziel. Holl schätzt, dass er und seine Mitarbeiter (insgesamt sind es 40) zehnmal so viele Besucher haben, wie einst in Bonn. Ein Berlin-Bonus sei das, die Stadt ziehe eben wesentlich mehr Besucher an als die vergleichsweise beschauliche Stadt am Rhein. Aber auch der unkomplizierte Umgang mit den Besuchern führt dazu: Selbst Gruppen, die sich kurzfristig anmelden, stoßen bei den Niedersachsen auf offene Türen. Die andere Seite der Medaille: In Berlin spielen die Landesvertretungen nicht die gleiche Rolle im gesellschaftlichen Leben, wie in Bonn. Helmut Holl kommt damit gut klar, „schließlich kann man in Berlin jeden Abend irgendwo irgendwas feiern und erleben.“

In der niedersächsischen Landesvertretung wird weniger gefeiert als bei den Bayern beispielweise, oder den Bremern. Helmut Holl ist das ganz recht. Er selber ist kein Fan großer Partys und Veranstaltungen, macht Lobbyarbeit lieber im kleinen Rahmen, in Restaurants, bei gutem Essen, außerhalb der Amtsräume.

Feiern können die Niedersachsen aber auch. Das klassische Sommerfest etwa, das alle Landesvertretungen machen, findet am kommenden Montag statt. Mehr Aufsehen erregt allerdings das traditionelle Grünkohlessen der Stadt Oldenburg, bei dem immer Prominenz aus der Bundespolitik dabei ist und dann in der Regel auch zum Kohlkönig gekürt wird. Das winterliche Grünkohlessen hat nur mittelbar etwas mit der Landesvertretung zu tun, trotzdem ist Holl ein bisschen Stolz darauf: „Das haben nur wir.“ Das Grünkohlessen ist aber auch ein Hinweis darauf, dass Oldenburg ehedem als Großherzogtum aufhörte zu existieren und als eigenständiges Land nach dem Zweiten Weltkrieg in Niedersachsen aufging, das sie die Alliierten 1946 aus den vier Ländern Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe bildeten. Den Flächenstaat möchte Holl am liebsten als Biotech- oder Hightech-Standort profilieren, nicht so sehr –Nitrofen-Skandal, BSE und Schweinepest tun da ein Übriges –als Agrarstaat, also lieber die moderne Autostadt als Tiermast-Rekorde präsentieren. Da sind Helmut Holl und Gerhard Schröder völlig d’accord.

Die beiden kennen und schätzen sich seit Jahren. Einen Kanzlerbonus will Holl aber für sich und seine Vertretung nicht mehr in die Waagschale werfen. Sicher, wenn die SPD-Länder im Bundesrat sich abstimmen, übernimmt er bei diesen Gesprächen in der Regel die Regie. Vor Amtsantritt der rot-grünen Bundesregierung galt die Niedersachsen-Vertretung in Bonn als Zentrum der Opposition. Damit war es an dem Abend vorbei, als 1998 am Kamin der Niedersachsen der rot-grüne Koalitionsvertrag besiegelt wurde. Wer weiß, was noch alles auf die neue Landesvertretung zukommt?

SERIE (7): LÄNDERVERTRETUNGEN IN BERLIN

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