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Berlin: Grundbuchämter sollen jetzt schneller werden Zwei Augen reichen jetzt

Justizsenatorin Schubert möchte die Wartezeiten verkürzen und dafür Personal aus dem Überhang einsetzen Was das elektronische Grundbuch kann und wer es nutzen darf

Von Fatina Keilani

Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) sucht jetzt verstärkt nach Wegen, die unmäßig langen Bearbeitungszeiten in den Grundbuchämtern in den Griff zu bekommen. Dafür lässt sie einen fast revolutionär anmutenden Schritt prüfen: Ob es in dem vieltausendköpfigen Überhang der Verwaltung nicht Personal gibt, das in den Grundbuchämtern mithelfen könnte. „Dafür müssen mehrere Fragen geklärt werden“, sagte Justizsprecher Björn Retzlaff dem Tagesspiegel. „Zum Beispiel: Was für Leute brauchen die Ämter, können wir das aus dem Überhang-Pool leisten?“

Die Wartezeit auf eine Grundbucheintragung liegt in den am stärksten belasteten Ämtern derzeit bei mindestens einem, manchmal auch zwei Jahren. Wer seine Hoffnung darauf gerichtet hatte, das elektronische Grundbuch werde diese Zeiten erheblich verkürzen, wurde enttäuscht. Zunächst hieß es Warten auf das elektronische Grundbuch, dessen Einführung sich mehrfach verzögerte. Jetzt ist es zwar in Betrieb, doch die Lage bei den Bearbeitungszeiten hat sich nicht verbessert. Eine gewisse Entlastung wurde immerhin dadurch erreicht, dass im ersten Quartal dieses Jahres acht neue Rechtspfleger eingestellt wurden, davon fünf im Grundbuchamt von Tempelhof-Kreuzberg, das auch für Mitte, Tiergarten und Prenzlauer Berg zuständig ist, zwei in Lichtenberg und einer in Schöneberg. Dadurch sei der Arbeitsrückstau in Lichtenberg im ersten Halbjahr um 30 Prozent reduziert worden, in Schöneberg um 27 und in „Tempelkreuz“ um 19 Prozent, sagte Retzlaff.

An der Dauer der Bearbeitungszeiten gibt es seit Jahren Kritik, die erst vor wenigen Tagen von Investoren, Grundeigentümern und Parteien erneuert wurde. Der CDU-Juristenverband wies darauf hin, dass durch die schleppende Bearbeitung Investitionen von mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr verzögert werden – das entspricht rund einem Viertel des jährlichen Bauvolumens in Berlin. Am schlimmsten ist die Lage nach Auskunft des Verbandsvorsitzenden Wolfgang Hummel gerade dort, wo saniert und damit auch am umfangreichsten investiert werde: in Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain.

Die CDU-Juristen forderten im Einklang mit Grundeigentümern und Haus- und Wohnungswirtschaft die mindestens zeitweilige Umsetzung von Personal aus den weniger belasteten Grundbuchämtern etwa in Spandau und Reinickendorf in die stark frequentierten Ämter. Eine weitere Forderung ist, Anträge für Großvorhaben vorrangig zu behandeln. Das könne der Stadt auch eine Belebung auf dem Arbeitsmarkt bringen. Einige Investoren würden dafür auch eine „Expressgebühr“ zahlen. So bekäme die Stadt mehr Geld für ihren Haushalt, und die Investoren würden weniger Geld verlieren, weil sie nicht so lange warten müssten. Letzten Endes könnte das sogar einige Investoren davon abhalten, ihre Berliner Pläne ganz hinzuwerfen.

Aber auch eine solche Expressgebühr ist nicht so einfach einzuführen. Bei gleichem Personalstand ginge die Bevorzugung der Investoren auf Kosten von Otto-Normal-Antragsteller, der dann umso länger warten müsste. Außerdem könnte das Gebührenrecht entgegenstehen, das dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zuschreibt. Ob ein zusätzliches Landesgesetz zulässig wäre, wird in der Justizverwaltung derzeit geprüft.

Für die langen Bearbeitungszeiten sehen Justiz und Grundbuchämter erhebliche Mitschuld bei den Notaren: In 70 Prozent der Fälle würden von den Notaren unvollständige oder fehlerhafte Unterlagen eingereicht, schätzen die Grundbuchämter. Das verlängere die Bearbeitungsdauer unnötig.

Das Zeitalter der Elektronik hat Grundbucheintragungen nicht schneller gemacht. Es führt wahrscheinlich nicht einmal dazu, dass in den Ämtern weniger Gedränge herrscht. Denn für viele Geschäfte ist der Gang aufs Amt einfach unausweichlich. Gerhard Menzel von der Notarkammer Berlin: „Im elektronischen Grundbuch steht nicht, welche anderen Anträge bezüglich desselben Grundstückes gestellt wurden.“ Das könne zum Beispiel dann wichtig werden, wenn jemand bei seiner Bank einen Kredit beantragt hat. „Die Bank zahlt erst, wenn der Kredit durch eine Grundschuld gesichert ist. Dafür muss sie aber wissen, ob andere Gläubiger vorrangige Anträge gestellt haben.“ Und das erfährt man nicht im elektronischen Grundbuch.

Ein Beispiel: Hat die Bank eine Grundschuld über 100 000 Euro einzutragen, muss sie wissen, ob ein anderer vor ihr die Eintragung beantragt hat, sagen wir über ebenfalls 100 000 Euro. Wird das Grundstück später nämlich zwangsversteigert und erbringt nur 150 000 Euro, so verliert der zweitrangige Gläubiger 50 000 Euro. fk

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