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Wenn Hausbesetzer von Freiheit reden, meinen sie nur die eigene.

© imago images/Future Image

Grundrechte: Die Freiheit nehmen wir uns

Corona oder Liebig34: Das höchste Gut ist vielfach unter Beschuss. Die Grundrechte nutzen auch jene, die sie abschaffen wollen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fatina Keilani

Es ist viel von der Freiheit die Rede in letzter Zeit. Und das mit Grund: Sie ist ein gefährdetes Gut. Derzeit wird sie von verschiedenen Seiten angegriffen.

Die Pandemie hat zu einer Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten geführt, wie es sie seit Bestehen der Bundesrepublik noch nicht gab. Dagegen wenden sich nicht nur die „Querdenken“-Demonstranten. Auch die Bundeskanzlerin stellte fest: „Corona ist eine demokratische Zumutung.“

Das Grundgesetz geht davon aus, dass die Freiheit des Einzelnen, seine Grundrechte, vor allem vom Staat bedroht werden, und konzipiert deshalb die Grundrechte als Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe. Dies ist im geschichtlichen Kontext verständlich. Bedrohungen der Freiheit und der Unversehrtheit des Einzelnen gingen im Nationalsozialismus tatsächlich vom Staat aus. Unter dem Eindruck dieses Teils deutscher Geschichte wurde das Grundgesetz geschaffen, eine der liberalsten Verfassungen der Welt, mit einem ausgeklügelten System zum Schutz der Freiheit vor staatlichen Eingriffen.

Zum Glück bilden die Gerichte ein Korrektiv

Derzeit greift der Staat massiv in Grundrechte ein, zum Infektionsschutz. Er tut es rechtsstaatlich, wenngleich die Rechtsgrundlagen umstritten sind. Zudem haben funktionierende Gerichte im ganzen Land ein Korrektiv gebildet und zu weit gehende Einschränkungen rückgängig gemacht. Viele Menschen sehen die Maßnahmen trotzdem mit der Sorge, dass sie vielleicht nicht alle Freiheiten zurückbekommen, die ihnen in der Pandemie genommen wurden – auch weil die Exekutive womöglich Geschmack daran gefunden hat, „durchzuregieren“.

Doch noch etwas anderes bedroht unsere Freiheit, und das ist nicht der Staat, sondern es sind jene, die sich sämtlicher Freiheiten bedienen, aber selbst nicht liberal gesinnt sind. Manche Bedrohungen kommen unauffällig daher, oder eingekleidet in Euphemismen. Seien es radikalislamische Moscheevereine, die harmlos klingende Namen tragen, seien es Versammlungen wie die antisemitische Al-Quds-Demo, die angeblich gegen „Zionismus und Antisemitismus“ ist. Die Worte hört man wohl – die Gefahr liegt darin, sie zu glauben.

Zugleich lassen sich Grundrechte nicht präventiv versagen. Sie werden auch von jenen genutzt, die auf ihre Abschaffung zielen. Letztlich grundiert dies auch den Streit ums Kopftuch. Er beinhaltet ein grundlegendes Misstrauen von Teilen der Gesellschaft in die Demokratiefestigkeit seiner Trägerinnen. Aus einigen Schulen gibt es Berichte, die geeignet sind, ein solches Misstrauen zu stützen.

Jeder will abschaffen, was ihn nervt

Wenn jene, die selbst nach Freiheit rufen und doch nicht bereit sind, diese auch anderen zuzugestehen, an die Macht kämen, wenn sie Gerichte und Behörden bevölkern, dann ist die verfassungsmäßige Ordnung dieses Landes bedroht. Die Linksextremisten aus der „Liebig 34“ haben das Wort „Freiheit“ nur zum eigenen Vorteil auf den Lippen, sie würden das „Schweinesystem“ sofort abschaffen, wenn sie könnten, ebenfalls die Rechtsextremisten. Noch ist der Weg dahin weit, aber er wird beschritten. Es wird mobilisiert, es wird unterwandert. Am Ende ist es schlicht eine Frage der Mehrheiten. Findet sich ein „Pouvoir Constituant“, also eine hinreichend große Zahl von Bürgern, die das System von Grund auf stürzen wollen – es wäre möglich. Und kein Bundesverfassungsgericht könnte es verhindern.

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