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Berlin: Grundstücksgeschäft auf politisch vermintem Terrain Liegenschaftsfonds schreibt umkämpftes Bauland in Kreuzberg aus

Der Bezirk fühlt sich düpiert. Eigentlich sollte ein Kreativquartier entstehen

Fast lautlos wurde dieses Geschäft auf den Weg gebracht. Es geht um über zehn Millionen Euro für fünf Grundstücke in bester Lage. Mitten in der politischen Sommerpause hat der landeseigene Liegenschaftsfonds unter dem Namen „Checkpoint Art“ einen Bieterwettbewerb für das Bauland zwischen Friedrichstraße und Jüdischem Museum ausgerufen. Dabei ist die Ferienzeit für Grundstücksgeschäfte ein denkbar schlechter Zeitpunkt, der andererseits nicht besser gewählt sein könnte, um Fakten zu schaffen auf politisch vermintem Terrain.

Denn die Interessen des Grundstückseigentümers, des Bezirks Mitte, des Senats und der Kiezplaner könnten nicht unterschiedlicher sein. Der landeseigenen Großmarkt-Gesellschaft geht es beim Verkauf ihres Baulandes vor allem um das Geld, dem Bezirk um eine Entwicklung des vernachlässigten Gebietes. Der Senat schließlich wirkt unentschlossen, ob städtebauliche oder finanzielle Interessen den Vorrang haben sollen.

So jedenfalls deuten Kritiker die Ausschreibung des Liegenschaftsfonds: „Die Höhe des Kaufpreises ist nicht das einzige Entscheidungskriterium“ bei der Auswahl des Investors, heißt es da, sondern auch das „Nutzungskonzept“. Das soll mit Kunst- und Kreativwirtschaft zu tun haben. Wie genau, bleibt im Ungefähren. „Das ist nur ein Feigenblatt“, sagt Peter Beckers (SPD), Vize-Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg. Und weil die Kriterien vage seien, könne am Ende doch das Geld entscheiden.

„Unglücklich und enttäuschend“ nennt Beckers den Alleingang von Großmarkt und Liegenschaftsfonds auch. Denn am 18. September hätten die Planer vom „Projektbüro Kreativquartier Südliche Friedrichstadt“ eigentlich ihr Konzept für die Entwicklung des Gebietes rund um die ehemalige Halle des Blumengroßmarktes vorstellen wollen. Projektleiter Florian Schmidt sagt, letztlich gehe es um „die Qualität der Stadt und die Lebensqualität im Kiez“. Die City wachse in die südliche Friedrichstadt hinein und die Stadtplanung müsse sich entscheiden, ob auch hier „Franchiser in Investorenhüllen“ hinziehen oder ob mit Bewohnern, Gewerbetreibenden, Baugruppen, Galerien und Kunstschaffenden ein „dialogisches Verfahren“ zur Entwicklung des Quartiers eingeleitet wird.

Bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft sieht man das anders. Der persönliche Referent von Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) verteidigt die Ausschreibung und sagt: „Es ist keine banale Ausschreibung zum Höchstgebot, sondern ein Konzeptverfahren mit Mindestpreis mit Orientierung auf kultur- und kreativwirtschaftliche Nutzung“, so Sören Benn. Sollte keines der vorgelegten Konzepte tragfähig sein, könne das Verfahren erneut aufgerollt werden. Außerdem entstünden durch Abgabe von Geboten keine Rechtsansprüche auf die Grundstücke. Sogar den Verkauf von Baufeldern auch vor Ablauf des Bieterverfahrens habe man sich vorbehalten. Auch sei die Ausschreibung nicht kurzfristig auf den Weg gebracht. Vielmehr sei bereits der erste Ideenworkshop des Projektbüros Kreativquartier mehrfach verschoben worden. Bis heute lägen keine Ergebnisse vor. Auch die für September vorgesehene zweite Sitzung sei bereits vom Bezirk aus für Juni geplant gewesen.

Der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Michael Braun sagte: „Das unentschiedene Hin und Her zeigt erneut, dass eine Diskussion über Stadtplanung in Berlin fehlt“. Dies habe der Senat versäumt und gebe es auch keine politische Vorgaben für die Quartiersentwicklung. Christoph Meyer, Fraktionschef der FDP, nennt dagegen das Verfahren „nachvollziehbar“. Die Aufwertung des Quartiers in der südlichen Friedrichstadt könne „nur mit privatem Kapital“ gelingen.

Eine Sprecherin des Liegenschaftsfonds sagte, die Frist zur Abgabe von Angeboten sei mit vier Monaten doppelt so lang wie üblich, das Verfahren mit Senat und Grundeigentümern abgestimmt.

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