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Erst mal unterkommen. Viele Studienanfänger quartieren sich nach ihrer Ankunft in Berlin zuerst bei Freunden ein, während sie sich eine feste Bleibe suchen.

© dapd

Günstiger Platz ist knapp: Studenten finden kaum noch Wohnungen in Berlin

Immer mehr Studenten drängen in die Stadt und suchen verzweifelt nach einer Bleibe – in den Wohnheimen gibt es kaum noch Platz. Der Senat sieht allerdings keinen Handlungsbedarf. Jetzt bauen auch private Investoren, doch die Unterkünfte sind nicht billig.

Das Angebot war kurz nach dem Start schon fast vergriffen. Zwei Semester Wohnen für die halbe Miete. 50 Wohnungen hatte die Wohnungsbaugesellschaft Degewo für Studenten und Azubis reserviert. Davon sind noch vier übrig, drei davon im Plattenbaubezirk Marzahn-Hellersdorf.

Das Rennen um die letzten günstigen Wohnungen in der Stadt ist voll entbrannt. Für Studenten wird es im kommenden Semester besonders schwer. Die Universitäten FU und Humboldt vermelden erneut wachsende Bewerberzahlen. 153.000 Studenten gab es 2011 in der Stadt, im Herbst 2012 werden es noch mehr sein. Berlins Attraktivität für junge Menschen aus aller Welt ist zugleich sein Fluch. Die Wartelisten in den öffentlichen Studentenwohnheimen werden immer länger. Je nach Lage und Ausstattung müssen Bewerber zwischen sechs Wochen und zwölf Monaten auf einen Platz warten. Einige Studenten behelfen sich inzwischen mit Mehrbettzimmern in den vielen neu entstandenen Hostels, um überhaupt eine Bleibe zu haben.

Studierzimmer. Für das „Quartier 216“ wurde ein Lichtenberger Plattenbau zum Studentenwohnheim. Die Ein-Zimmer-Appartements kosten zwischen 300 und 400 Euro.
Studierzimmer. Für das „Quartier 216“ wurde ein Lichtenberger Plattenbau zum Studentenwohnheim. Die Ein-Zimmer-Appartements kosten zwischen 300 und 400 Euro.

© Promo

Das Berliner Studentenwerk verwaltet 9500 Wohnheimplätze, verteilt über die ganze Stadt. Die Zahl der Plätze sei rückläufig, sagt Sprecher Jürgen Morgenstern, weil angemietete Plätze aufgegeben werden mussten. „Dabei bräuchten wir eigentlich 500 zusätzliche Plätze in Hochschulnähe.“ Appelle an den Senat, den Neubau von Heimplätzen zu fördern, seien bislang verhallt.

Dabei heißt es im Koalitionsvertrag, man wolle die Zahl der Wohnheimplätze erhöhen. Die Stadtentwicklungsverwaltung sieht sich dafür aber nicht zuständig. Der Sprecher der Wissenschaftsverwaltung, Thorsten Metter, erklärt, man habe „das Thema perspektivisch im Blick“, erwarte aber für Studenten auf dem Berliner Wohnungsmarkt im Herbst „keine verschärfte Situation“. Übersetzt heißt das in etwa: kein Handlungsbedarf.

In den finanzstarken Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg sind Programme zum Ausbau von Wohnheimen dagegen fest installiert. Bayern fördert den Neubau eines Wohnheimplatzes mit 25.000 Euro. Das Deutsche Studentenwerk fordert andere Länder auf, diesem Beispiel zu folgen und insgesamt 25.000 zusätzliche Plätze zu schaffen.

In Berlin gab es noch 2007 einen Leerstand in den Heimen von rund neun Prozent, der ist bis 2011 auf 2,3 Prozent abgeschmolzen. Tiefer kann der Wert gar nicht sinken, da Wohnungen und ganze Heime regelmäßig renoviert werden. Früher nutzten Studenten die Heime oft als erste Anlaufstelle in der unbekannten Großstadt, um sich nach wenigen Monaten in eine Altbau-WG nach Kreuzberg oder Friedrichshain zu verabschieden. Diese Strategie scheitert immer öfter an den steigenden Mieten.

Charlott Hoppe studiert Afrikanistik und sucht ein WG-Zimmer innerhalb des S-Bahn-Rings oder eine Wohnung, in die sie zusammen mit Freundinnen einziehen würde. Das mit der Wohnung hat sie nach vier Monaten Suche fast aufgegeben, viele WG-Zimmer seien um rund 100 Euro teurer geworden innerhalb eines Jahres. Zehn Quadratmeter würden schon mal für 250 Euro angeboten – „ganz schön krass“. Und wenn der Preis stimmt, müsse man im Zehn-Minuten-Casting noch gegen etliche Mitbewerber antreten.

Das Studentendorf Schlachtensee, Anfang des Jahrtausends wegen mangelnder Nachfrage und fehlender Sanierung noch vom Abriss bedroht, ist seit Jahren voll ausgelastet und verfolgt Expansionspläne in der Wissenschaftsstadt Adlershof. „Wir wollen das Dorfkonzept aus den 50er Jahren weiterentwickeln“, sagt Stadtplaner und Genossenschaftsvorstand Andreas Barz. Besonders ausländische Studenten seien auf Wohnheimplätze angewiesen.

Hilfreich dabei ist eine Schweizer Pensionskasse, die der anthroposophischen Philosophie verpflichtet ist. Die Schweizer hatten 2010 das Grundstück des Studentendorfes in Schlachtensee erworben und per Erbpacht an die Genossenschaft weitergereicht. In Adlershof hat die Pensionskasse mit der Genossenschaft eine gemeinsame Firma gegründet, die für 22 Millionen Euro ein neues Dorf mit 377 Appartements und WG-Zimmern bauen will. „Der Kaufvertrag soll in zwei Wochen unterschrieben werden.“ Beim Kaufpreis für das Grundstück habe der Senat aber kein Entgegenkommen gezeigt, sagt Barz. Fertigstellungstermin ist Sommer 2014.

Die Zimmer sollen zwischen 340 und 390 Euro Warmmiete kosten, das ist für viele Studenten die obere Kante des Wohnbudgets. In Schlachtensee und vielen öffentlichen Wohnheimen gibt es unsanierte Zimmer schon ab 165 Euro warm. Barz sieht den Senat weiter in der Pflicht, günstigen Wohnraum für Studenten zu schaffen. „Die Notlage ist seit vielen Jahren bekannt.“

Private Investoren, die auf eine auskömmliche Rendite achten, haben zumindest die zahlungskräftigeren Studenten als Zielgruppe entdeckt. Das Berliner Unternehmen Gädeke & Sons will mit einem Partner Studentenhäuser der Luxusklasse realisieren, eines davon an der Köpenicker Straße in Mitte. Bis Ende 2013 sind 220 Appartements geplant, ausgestattet mit Internetflatrate, Concierge und Wäscheservice. Monatsmiete: knapp 500 Euro. Rund ein Drittel der Studenten könnten sich solche Mieten leisten, meinen die Macher.

Etwas günstiger soll das studentische Wohnen im sanierten Plattenbau an der Frankfurter Allee in Lichtenberg ausfallen. Das „Quartier 216“ in einem großen Plattenbau kalkuliert mit Appartementmieten zwischen 300 und 400 Euro. 438 Wohnungen für sparsame Singles, Studenten, Azubis und Hartz-IV-Empfänger sollen entstehen, in bescheidener Wohnlage zwischen Bahngleisen und sechsspuriger Autotrasse. Günstige Singlewohnungen sind in Berlin, der Stadt der Singles, aber besonders knapp. Das Projekt genießt die Gunst der Politik, weil es die Politik nichts kostet – außer Genehmigungen „großzügiger“ als üblich zu vergeben, wie Quartier-Bauherr Lutz Lakomski durchblicken lässt.

Ursprünglich wollte er in dem ehemaligen Dienstsitz der Reichsbahn verschiedene Fachmärkte ansiedeln, doch 2011 wurde die Planung umgeworfen. Wohnen floriert in Berlin einfach besser als Handel. Im September sollen die ersten Mieter einziehen.

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