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Berlin: Gut gemacht, altes Haus

Die historische Villa Kirchner in Tegel ist wieder zu einem Schmuckstück geworden.

Während seiner Studienzeit fand der Berliner Architekt Hans-Heider Becker „den Denkmalkrempel total doof“. Das hat sich geändert. Als ihm und seiner Frau sowie Geschäftspartnerin Christine Dwyer 2008 die historische Villa Kirchner in Tegel angeboten wurde, verliebten sie sich sofort in das Baudenkmal. Da ahnten sie noch nicht, was auf sie zukommen würde. Denn wie sich bei näherer Betrachtung herausstellte, hatte man eine Ruine erworben. Davon ist heute nichts mehr zu spüren.

Das 1886 errichtete Gebäude wurde nach seinem späteren Besitzer, dem Berliner Maschinenhändler A. Kirchner, benannt. Es ist eines der letzten Relikte der einstigen Villensiedlung, die vor rund 130 Jahren fast in Sichtweite des Tegeler Humboldt-Schlosses entstand. Zur Straße hin ziert das Haus eine prunkvolle, stuckverzierte Fassade. Die Rückfront zum riesigen Garten gibt sich eher schlicht. „Vorne das Schlösschen, hinten die Toskana“, sagt Christine Dwyer.

Innenwände und Decken erwiesen sich als so desolat, dass sie abgerissen und neu gebaut werden mussten. Erst jetzt wurde deutlich, dass sich unter dem Putz Fachwerk befand. „Wir wollten die Tapeten abreißen, und es stand plötzlich keine Wand mehr“, erinnert sich Christine Dwyer. Die Deckenbalken waren so marode, dass sie sich mit einem Kuhfuß wie Butter durchstechen ließen. Und die hölzernen Schwellen, auf denen das Gebäude ruhte, ließen sich mit bloßen Händen herausziehen. Vorübergehend bestand für die Villa Einsturzgefahr.

Hans-Heider Becker spricht von einer „Ruinensituation“ und einem „brutalen Rückbau“, der für jeden Privatmann eine „Katastrophe“ bedeutet hätte. Das Paar vom Fach bekam die Situation zwar einfacher in den Griff, dennoch sagt der Architekt: „Wir haben unsere Ersparnisse hier verbraten“. Staatliche Zuschüsse gab es für die Sanierung nicht, lediglich steuerliche Vorteile können die Bauherren geltend machen. Dafür würdigen die Architekten die unbürokratische Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt und den Denkmalschutzbehörden.

Idyllisch am Rande des Tegeler Forstes gelegen, gehören Waschbären, Marder und Wiesel zu den regelmäßigen Besuchern im Garten, der bei der Übernahme „gruselig“ aussah, wie sich Becker erinnert. Nur eine alte Eibe hat man stehen lassen, alles andere wurde neu gepflanzt, von den Apfel- und Pflaumenbäumen und den Himbeersträuchern bis hin zum Bambus an dem zum Goldfischteich umgestalteten Kinderplanschbecken. Teich- und Gartenwasser werden von einer neu geschaffenen Brunnenanlage gefördert.

Heute rahmen wieder Schinkel-Leuchten die Doppelflügeltür zur Straßenseite, ein Zugang, den man erst wieder neu erschließen musste. Bei Dunkelheit wird die Fassade mit den Stuck-Ornamenten illuminiert. Die eigentliche Herausforderung stellte jedoch das Gebäudeinnere dar. Wer die Villa betritt, hat binnen weniger Minuten vergessen, dass er sich in einem 127 Jahre alten Gebäude befindet. Fußbodenheizung, Gasbrennwerttherme, modernes Stromsystem, energiesparende Beleuchtung, Öffnungs-, Bewegungs- und Einbruchsmelder, eine Einbauküche mit Gas- und Induktionsherd sowie Direktabsaugung und Membrandecken haben die Villa auf den Energiesparstandard gebracht.

Jeder Winkel in dem in Arbeits- und Wohnbereich getrennten Gebäude wurde optimal ausgenutzt, einschließlich der im Bad integrierten Kleiderschränke. „Viele Leute haben Angst, ein Denkmal zu erwerben“, sagt Becker. „Wir haben den Spagat hinbekommen, die alte Hülle zu erhalten und vielleicht sogar ein wenig schöner zu machen und in dem Gerippe ein ganz neues Haus entstehen zu lassen.“

Für ihr Werk wurden die Architekten bereits 2012 mit dem Bauherrenpreis des Bezirks Reinickendorf ausgezeichnet. Becker und Dwyer, die zuvor in Zehlendorf ansässig waren, haben hier ihre neue berufliche wie private Heimat gefunden. Als neues „Markenzeichen“ des Architektenbüros ziert die Villa Kirchner inzwischen auch Beckers Visitenkarte.

Doch längst ist noch nicht alles getan. Die Stuckreliefs sollen noch restauriert oder konserviert werden, sagt Becker. Und dann ist noch ein in der Baugenehmigung enthaltener, 30 Quadratmeter großer Anbau an der Gartenfront in der Planung. Als transparenter Glasbau in der Art eines Wintergartens soll er als Besprechungsraum für die Architekten dienen.

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