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Alkohol und Süßigkeiten: Wie schafft man es, zu verzichten?

© imago/Panthermedia

Gute Vorsätze im neuen Jahr: Verabredung mit sich selbst

Weniger aufs Smartphone schauen, mehr Sport, gesünder essen:  Zu Silvester fassen viele gute Vorsätze – und scheitern oft. Doch es gibt moderne Methoden, wie man Wunsch und Wirklichkeit überbrückt.

Sollte es stimmen, dass der Weg zur Hölle mit guten Absichten gepflastert ist, dann werden auf dieser Strecke um den Jahreswechsel herum besonders viele Steine geklopft: Nie fassen Menschen so viele gute Vorsätze wie zum ersten Januar. Und das nicht erst heute, wie der Psychologe Frank Wieber vom Institut für Gesundheitswissenschaften der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und der Uni Konstanz berichtet. „Schon die Römer haben zu diesem Zeitpunkt Versprechen an ihren Gott Janus verfasst.“

Als Gott mit den zwei Gesichtern, die ihn zugleich nach hinten und nach vorne blicken lassen, bietet Janus, der Namensgeber des Monats Januar, einen seltsamen Anblick. Und er hat ein zwiespältiges Image – ganz ähnlich wie die guten Vorsätze. Wieber findet den doppelten Blick, den der römische Gott aufs Leben wirft, allerdings durchaus sinnvoll. Gerade für Menschen, die den Wunsch haben, in ihrer persönlichen Lebensführung neue Ziele anzusteuern. „Der ritualisierte Rückblick und Ausblick um die Jahreswende ist eine gute Gelegenheit, mit sich selbst Zielvereinbarungen für das neue Jahr zu treffen.“ Für gute Vorsätze ist jetzt also ein besonders guter Zeitpunkt. „Letztlich ist aber auch jeder andere Zeitpunkt gut, wenn man realistisch an die Sache herangeht und überlegt, wie man die Ziele erreichen kann.“

Heute gelten derartige Vereinbarungen einer Person mit sich selbst besonders häufig der gesunden Lebensführung. Man kann es ja auch kaum überhören und überlesen, dass man es zumindest teilweise in der Hand hat, das Risiko für chronische Krankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Leiden zu vermindern und zumindest statistisch etliche Lebensjahre zu gewinnen. Doch wie kann man die Chancen dafür erhöhen, dass man es diesmal wirklich schafft, sich mehr zu bewegen und weniger aufzuregen, mehr Gemüse und weniger Fleisch zu essen, es bei einem Glas Wein bewenden zu lassen und sich endlich zur Darmspiegelung anzumelden?

Der gute alte Plan hat ein schlechtes Image - zu Unrecht

Denn eines reicht nicht: Sich nur an einen Wunsch „heran zu träumen“, sich das gute Leben in leuchtenden Farben auszumalen, das die Verhaltensänderung eröffnet. Das ist neueren Erkenntnissen zufolge nicht nur wenig effektiv, sondern kann sogar kontraproduktiv wirken: Man fühlt sich damit dem Ziel schon ein Stück näher, steckt womöglich weniger Energie in die konkrete Vorbereitung und denkt zu wenig über Hindernisse nach.

Wiederum sieht sich Gesundheitswissenschaftler Wieber genötigt, etwas zu verteidigen, das kein allzu gutes Image hat: das Aufstellen von Plänen. Bertolt Brechts leicht hinterhältige Warnung „Ja mach’ nur einen Plan“ aus der „Ballade über die Unzulänglichkeit des menschlichen Planens“ bringt das Unbehagen gut zum Ausdruck. Wieber, der über „Pläne als effektives Instrument zur intentionalen Handlungssteuerung in sozialen Kontexten“ forscht, sieht das etwas anders: „Mit einem guten Plan können wir nachweislich die Areale im Gehirn beeinflussen, die für gewohnheitsmäßiges Handeln zuständig sind. Mit spezifischen Wenn-Dann-Plänen können wir uns gewissermaßen Knoten in das ‚Taschentuch’ des Gehirns machen.“

Knoten, die uns an unsere Absichten erinnern und zugleich an Strategien, mit denen sie auch unter schwierigen Bedingungen zu realisieren sind. Wer sich vorgenommen hat, während der Schreibtischarbeit immer mal wieder aufzustehen und sich die Beine zu vertreten, kann sich vom Handy daran erinnern lassen: Immer wenn die App mich erinnert, setze ich mich in Bewegung. Oder man legt sich vorab und ganz in Ruhe eine alternative Verhaltensweise für den Fall zurecht, dass es in der Firma einen Grund zum Anstoßen gibt. Das angebotene Glas Sekt nur abzulehnen, ist aus psychologischen und sozialen Gründen schwierig. Stattdessen kann man aber auch fragen: Was gibt es denn für einen Saft?

Vor- und Rückschau. Vom doppelgesichtigen römischen Gott Janus hat der Januar seinen Namen. Foto: Imago
Vor- und Rückschau. Vom doppelgesichtigen römischen Gott Janus hat der Januar seinen Namen. Foto: Imago

© imago/Cola Images

Helfen können nachweislich auch unscheinbare Verhaltensregeln oder Änderungen der persönlichen Umgebung, mit denen man sich selbst einen Schubs gibt: So könnte man zum Beispiel abends nur ein paar Stückchen Schokolade aus der Küche mit ins Wohnzimmer nehmen, sodass unweigerlich eine Pause zum Nachdenken entsteht, wenn sie verputzt sind. Eine Pause, in der das Verlangen etwas gedämpft wird. „Nudging“ heißt der Fachbegriff, der auf den Verhaltensökonomen Richard Thaler zurückgeht, den Träger des Wirtschafts-Nobelpreises von 2017. Thalers Buch „Nudge“ trägt den bezeichnenden Untertitel „Wie man kluge Enscheidungen anstößt“.

Voraussetzung ist selbstverständlich ein klares, erreichbares Ziel. Etwa: Ich möchte weniger Süßigkeiten essen. Diesem Ziel ordnen sich die Pläne unter. Nur wenn sie sich in Kombination unterstützen, kann es sinnvoll sein, sich gleich mehrere Ziele zu setzen. „Ansonsten würde ich ein Nacheinander vorschlagen, und kleine realistische Schritte“, sagt Wieber. Zum Realismus gehört es, die Widrigkeiten einzukalkulieren. Hier empfiehlt sich die „Woop“ (Wish-Outcome-Obstacle-Plan)-Methode: Ein Ziel formulieren, das zu mir passt und bescheiden genug ist, um erreichbar zu sein. Bei den Strategien zur Umsetzung die Hindernisse einkalkulieren. „Hier ist die Technik des mentalen Kontrastierens wichtig, denn während ich mir Hindernisse vor Augen führe, passieren im Gehirn wichtige Prozesse.“ So kann man sich in Ruhe überlegen, was aus dem Plan zum regelmäßigen Joggen an Regentagen werden soll, kann wetterfeste Kleidung anschaffen – aber auch mit sich selbst verabreden, dass man das Laufen auch einmal aufschieben kann.

Nachsicht mit sich selbst

Aufschieben – diesen Begriff verwendet Wieber ohnehin lieber ganz vorsichtig. Oft sei es ja durchaus sinnvoll, Prioritäten zu ändern. Wer dagegen im engeren Sinne „prokrastiniert“, nutzt Gelegenheiten nicht, um ein ihm wichtiges Ziel durch das geeignete Handeln zu erreichen – wohl wissend, dass man auf diese Art wahrscheinlich Nachteile haben wird. Wieber kennt das von Studierenden, die eine schriftliche Arbeit immer wieder aufschieben. „Die Ursache ist oft, dass die Aufgabe abstrakt ist und so überwältigend erscheint. Es hilft dann, wenn die Betroffenen die Aufgabe in kleine, machbare Teilaufgaben zerlegen und überlegen, wann, wo und wie man diese erledigen kann.“

Ein weiteres Problem sind Rückschläge. Sie haben ebenfalls ein schlechtes Image – stehen dem Realisieren des Plans aber nicht entgegen. „Sie können im Gegenteil sogar dazu beitragen, dass ich in Zukunft besser vorbereitet bin.“ „Self-Compassion“ heißt nach einem Rückschlag das Gebot der Stunde, Verständnis für sich selbst, für das hartnäckige Hängen an alten Gewohnheiten. Weiß nicht jeder und jede, wie schwierig es allein schon ist, sich an eine neue Ordnung im Küchenschrank zu gewöhnen? Man sucht immer wieder an der alten Stelle nach den Tassen und ärgert sich darüber, wie festgefahren man ist. „Studien zeigen aber, dass Menschen, die mit sich selbst nachsichtig sind, eine bessere psychische Gesundheit haben. Wir müssen dabei in Betracht ziehen, dass unsere Ziele sich mitunter widersprechen und die Umstände, unter denen wir sie im Alltag realisieren möchten, oft nicht vorhersehbar sind.“ Etwas Nachsicht mit sich selbst ist schon deshalb wichtig, weil Vorsätze, die das gesundheitsbezogene Verhalten betreffen, meist „lebenslänglich“ einzuhalten sind.

Wieber selbst hatte zu Beginn des Jahres, das heute zu Ende geht, übrigens den Vorsatz gefasst, bewusster mit dem Smartphone umgehen. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten klappt das ganz gut, wie er berichtet. Es gab ja auch einen Plan, an dem er sich orientieren konnte: „Wenn ich abends zuhause bin mit der Familie, dann ist das Handy weg.“

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