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Clemens Krauss ist ein gefragter Maler, Installations- und Videokünstler und seit Neuestem auch Gutsbesitzer.

© Mike Wolff

Gutshaus in der Uckermark: Maler Clemens Krauss möchte einen Ort künstlerischer Begegnung schaffen

Berlin sei so eng geworden, klagt der Maler Clemens Krauss. Daher baut er in der Uckermark ein altes Gut zum Atelierhaus um. Vorbild: Warhols Factory.

Clemens Krauss ist ein gefragter Maler, Installations- und Videokünstler und seit Neuestem auch Gutsbesitzer: In einem Ortsteil von Angermünde, Uckermark, gut 80 Kilometer von Berlin entfernt, will der Mittdreißiger in einem Gutshaus aus dem 17. Jahrhundert einen Ort der künstlerischen Begegnung und Kreativität schaffen. Lässig kommt er daher, in Sweatshirt, Jeans, Turnschuhen. Durch Berlin, wo der Grazer seit 2007 lebt, fährt er mit seinem roten Golf, Baujahr 1995. In dem ausgesuchten Durcheinander seiner Wohnung in Prenzlauer Berg finden sich antike Möbelstücke, viel Kunst an den Wänden und überall Turnschuhe. Mehr als 300 Paar hat er gesammelt. Die Wohnung – ein Ort zum Wohlfühlen, der Geselligkeit und Gastfreundschaft.

Seit mehr als zehn Jahren ist Clemens Krauss in der Kunstszene präsent. Strukturstark ist seine Malerei, üppig, mit bis zu 60 Kilogramm Farbe auf einem einzigen Bild. Thema seiner Werke ist die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft, Hauptmotiv der menschliche Körper. Auf den Bildern ist er oft fragmentarisch dargestellt, um Raum für Assoziationen zu lassen. Oder auch mal als lebensgroßer Abguss aus Silikon.

Noch viel zu tun beim alten Haus.
Noch viel zu tun beim alten Haus.

© Mike Wolff

Lange suchte Krauss nach einem geeigneten neuen Lebensraum für sein ambitioniertes Projekt. Bis er auf das Gutshaus stieß. Auf den 1200 Quadratmetern Wohnfläche werden neben seinen privaten Räumen Wohneinheiten für Gastkünstler entstehen, die dort auch für längere Zeit arbeiten können. Der Gedanke einer neuen Form der Sozialisierung reizt ihn. „Berlin ist schrecklich voll geworden, chic und eng. Ich wollte raus da, ein offenes Atelierhaus schaffen, ähnlich wie Andy Warhols Factory“, sagt Krauss.

Das renovierungsbedürftige Gut möchte Krauss zusammen mit zwei Geschäftspartnern möglichst originalgetreu wiederherstellen. Dafür krempelt er auch selbst die Ärmel hoch, steht ganz oben auf den Baugerüsten. 15 Container Altmaterial sind bereits entsorgt. Wo seine Atelierräume entstehen sollen, knarrt noch morsches Parkett, Tapeten hängen in Fetzen von den Wänden. Aber die Spuren der Zeit verschwinden allmählich, Stück für Stück nimmt das Projekt Form an. „Das Haus atmet endlich wieder“, sagt der Künstler.

Ein Blick ins Innere des Gutshauses.
Ein Blick ins Innere des Gutshauses.

© „Das Haus atmet endlich wieder“, schwärmt Künstler Clemens Krauss, nachdem er bereits 15 Container Altmaterial entsorgt hat. Neben seinen privaten Räumen sollen in dem alten Gutshaus im Angermünder Ortsteil Mürow auch Wohneinheiten für Gastkünstler entstehen, die dort einmal für längere Zeit arbeiten können. Fotos: Mike Wolff

Seine Visionen sind groß. „Die Uckermark ist für die Berliner, was die Hamptons für New York sind.“ Also geballter Wohlstand? Da denkt Krauss durchaus strategisch. In seinem Gutshaus wird geschaffen, präsentiert, bekannt gemacht - mit viel Nähe zu den Künstlern. Das lockt Besucher und Kunstliebhaber, also auch Käufer und Geld an. Vor allem aber geht es Krauss um ein Gegenmodell zur Berliner Kunstszene.

Dort würden ganze Stadtteile seelenlos ausgehöhlt, das Bild einer lebendigen, jungen Szene vermittelt und verkauft – die Szene selbst habe durch die Kapitalisierung meist gar keinen künstlerischen Freiraum mehr. Die Uckermark verspricht dagegen Ehrlichkeit. Hier will Krauss eine Plattform für neue künstlerische Visionen schaffen. „Ein Künstler muss vorangehen, nicht dem Markt hinterherlaufen“, betont er.

Neben seinen privaten Räumen sollen in dem alten Gutshaus im Angermünder Ortsteil Mürow auch Wohneinheiten für Gastkünstler entstehen.
Neben seinen privaten Räumen sollen in dem alten Gutshaus im Angermünder Ortsteil Mürow auch Wohneinheiten für Gastkünstler entstehen.

© Mike Wolff

Zugezogene gibt es in der Uckermark reichlich, hauptsächlich Berliner, die sich von Freitag bis Sonntag den Luxus der Alltäglichkeit in ihrem zweiten Zuhause gönnen. Wie zum Beispiel der Werber und Kunstsammler Christian Boros, der in der Uckermark ein Stück Normalität sucht. Oder Starköchin Sarah Wiener, die in unmittelbarer Nachbarschaft von Clemens Krauss biologische Landwirtschaft betreibt. Und so wie die Hamptons auf Long Island seit dem Anschlag auf das World Trade Center für viele New Yorker zum Hauptwohnsitz, zum Rückzugsort geworden sind, könnte auch die Uckermark ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Existenzielle Ängste habe er zwar nicht, sagt Krauss, trotzdem sei er froh über sein Stück Land, es gibt Wasser, frische Luft und Platz. Für Krauss, der unter anderem in Japan, Brasilien und Australien gelebt hat, ist die Uckermark bereits eine Heimat geworden.

Vor großen Schritten scheut sich der Grazer ohnehin nicht. Er studierte zunächst Medizin und arbeitete als Chirurg. Erst mit Mitte 20 entschied er sich für das Kunststudium. Der Erfolg gibt ihm recht: In Berlin und Wien vertritt ihn die renommierte Galerie Crone, er hat weltweit Einzelausstellungen, und einige seiner Werke hängen in Museen, etwa in der Berlinischen Galerie. Er sei, sagt er von sich, „immer dann ruhig, wenn viel passiert, wenn er gestalten kann. Mir geht es um die Möglichkeit, in die Gesellschaft einzugreifen."

Ist Clemens Krauss in der Uckermark, fährt er auf einem orangefarbenen Motorroller durch die Landschaft. Den hat er im Nachbardorf gekauft. Und vielleicht tauscht er diesen Roller eines Tages gegen einen schönen Oldtimer, passend zum Gutshaus. Schließlich ist auch die Turnschuhsammlung bereits um einige Paar klassische Lederschuhe ergänzt worden.

Gabriele v. Arnim

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