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Berlin: Gysi als Kurzzeit-Azubi

Ex-Senator backte, um für mehr Ausbildungsplätze zu werben

In seiner einstigen Funktion als Berlins Wirtschaftssenator gehörte es zu seinem Beruf, sich um ausreichend Ausbildungsplätze in der Hauptstadt zu bemühen. Auch nach seinem Rückzug aus der Politik setzt sich Gregor Gysi jetzt wieder für mehr Lehrstellen ein. In der Schöneberger Bäckerei „Johann Mayer“ legte Gysi am gestrigen Montag deswegen für vier Stunden selbst Hand an und backte Brot und Croissants.

Gysi appellierte an die Betriebe, trotz wirtschaftlicher Probleme wieder mehr Ausbildungsplätze anzubieten. „Es liegt im eigenen Interesse der Betriebe, wenn sie weiterhin Lehrlinge einstellen“, sagte der frühere PDS-Chef. Da in den kommenden Jahren geburtenschwache Jahrgänge in die Ausbildungsberufe streben werden, sei es gerade jetzt wichtig, für diesen Engpass vorzusorgen. Deutschland lebe von der Qualifikation seiner Arbeiter, so Rechtsanwalt Gysi.

Um für seine Forderung zu werben, arbeitete Gysi gestern in der Backstube in der Ebersstraße am Innsbrucker Platz. Von 10 bis 14 Uhr schaute er den Bäckern über die Schulter und versuchte sich am Brotbacken und am Aufrollen der Croissants. „Er gibt sich große Mühe und ist willig“, sagte dann auch der Bäckermeister Karsten Berning über seinen Kurzzeit-Azubi. Gysi verstand sofort: „In der Schule hieß das, dass man nur knapp versetzt wird!“

Gerade für die Berufe des Bäckers und Fleischers werden immer wieder Auszubildende gesucht, wie die Pressesprecherin der Handwerkskammer Berlin (HWKB), Almuth Draeger, sagt. Insgesamt werden zur Zeit 18 900 Lehrlinge in Berlin in Handwerksberufen ausgebildet. 6600 von ihnen befinden sich im ersten Lehrjahr. „Noch können wir nicht endgültig sagen, ob wir diese Zahlen auch im kommenden Lehrjahr erreichen werden“, sagt Draeger. Dennoch ist sie optimistisch, weil sich immer mehr neue Betriebe davon überzeugen lassen, Lehrlinge auszubilden. „Wir gehen davon aus, dass wir im Bereich der Handwerksberufe mit großem Glück die Vorjahreszahlen erreichen werden“, sagt sie.

Bei der Industrie- und Handwerkskammer Berlin (IHKB) beurteilt man die Situation ähnlich. „Wir sind weit weg von den dramatischen Zahlen, die überall kursieren“, sagt der Pressesprecher Stefan Siebner. Auch bei bei der Kammer erklären sich immer mehr Betriebe bereit, zum ersten Mal Lehrlinge auszubilden. Problematisch sind nach Aussage von Siebner jedoch weiterhin die zahlreichen Insolvenzen aufgrund der kritischen wirtschaftlichen Lage und die Tatsache, dass besonders große Unternehmen nur wenig Ausbildungsplätze anbieten.

Im vergangenen Jahr seien im Zuständigkeitsbereich der IHKB insgesamt 11 000 Lehrstellen besetzt worden, so Siebner. Ob diese Zahlen im neuen Ausbildungsjahr beibehalten werden können, sei noch unklar. Vergangenes Jahr seien 2300 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz gewesen. Auch diese Zahl werde sich in diesem Jahr wahrscheinlich nicht verbessern.

Aliki Nassoufis

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