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Berlin: Haarausfall: Frisches Moos auf kahlem Kiesel

Männer schneidern Babys nach Maß, zerhacken Atome und telefonieren via Satellit. Aber was ihre klugen Hirne auch ausbrüten, mit 40 oder 50 Jahren rodet die Natur die Oberflächen ihrer Schädel.

Männer schneidern Babys nach Maß, zerhacken Atome und telefonieren via Satellit. Aber was ihre klugen Hirne auch ausbrüten, mit 40 oder 50 Jahren rodet die Natur die Oberflächen ihrer Schädel. Gegen den erbbedingten Haarausfall scheint bisher kein Kraut gewachsen, die androgenetische Alopezie (wie Mediziner das Leiden nennen) kommt wie ein unabänderlicher Fluch Gottes über die Hälfte aller Herren seiner Schöpfung. Die stolze Haartracht, Zeichen für Jugend, für Vitalität und Manneskraft, welkt dahin, dem Kahlen eilt der Spott voraus: kein Moos mehr auf dem Kiesel.

Ein Starfriseur wie Udo Walz will das nicht einfach hinnehmen. Schließlich lässt sich kein Haar schlecht zu einer Frisur machen. Und der Coiffeur mit Salons in Berlin, München und Palma de Mallorca kennt den "Leidensdruck", der auf Männern lastet, denen das Haupthaar schwindet. Zwar sei der Markt für Wundermittel, die helfen sollen, "gigantisch, doch bisher", sagt der Promi-Friseur, "habe ich noch von keinem Mittel gehört, das wirklich hilft". Auch dem 56-Jährigen hat die Sense der Zeit inzwischen eine kreisrunde Tonsur gemäht. Damit ließe sich leben, sagt Walz. Das lichte Haupt ersatzweise mit längerem Seitenhaar zu überkämmen - ein in seiner Branche verbreiteter, aber windunbeständiger Kunstgriff - ist seine Sache nicht. "Je mehr man vertuschen will, desto lächerlicher sieht es aus."

Dennoch ist Udo Walz am Freitag ins Hyatt Hotel gekommen, um Männern, bei denen nur noch Geheimratsecken und "Hubschrauberlandeplätze" wachsen, Hoffnung zu machen. Ein Erlanger Pharmaunternehmen hat ihn zur Vorstellung eines Präparats eingeladen, das dem Schicksal der erbbedingten Enthaarung entgegenwirken soll. Seit September vergangenen Jahres ist die Tinktur auf dem deutschen Arzneimittelmarkt. Sein Wirkstoff, Minoxidil, wird seit langem als blutdrucksenkendes Mittel eingesetzt. Mit einer besonderen Nebenwirkung: Die Substanz regte bei Patienten zugleich den Haarwuchs an. Die Hersteller der 5-prozentigen Minoxidillösung, die seit einem halben Jahr von Ärzten verschrieben werden kann, werben mit den Erfolgen des Präparats, das den Haarausfall bei 80 Prozent der Patienten gestoppt habe. Und mehr noch: rund ein Drittel von ihnen freue sich gar über neuen Haarwuchs.

Einer von ihnen ist der Schauspieler Frank Maria Gehricke. "Vor vier Jahren begannen meine Geheimratsecken langsam nach hinten zu wandern", erzählt der 28-Jährige. "Das hat mich sehr gestört. Haare sind Gestaltungs- und Ausdrucksmittel eines Schauspielers. Ich war besorgt, nicht mehr die jungen Rollen zu bekommen." Gehricke ging zur "Haarsprechstunde" der Dermatologen an der Universitätsklinik Charité. Von dem Mittel mit Östrogen, mit dem er zuerst behandelt wurde, ist er inzwischen auf das neue Präparat aus Erlangen umgestiegen.

Seine Geheimratsecken hat Gehricke eingedämmt. Damit das so bleibt, wird er die Tinktur auch weiter zweimal täglich auf die Kopfhaut auftragen müssen. Pro Monat kostet ihn das 80 Mark. "Das Mittel wirkt wie Dünger auf eine Pflanze. Stellen Sie die Düngung ein, wächst die Pflanze normal", erklärt der Marketingmann der Herstellerfirma - und das heißt beim männlichen Haar eben in der Regel: in Richtung Glatze.

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