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Berlin: Härte hilft

Jeder zweite Intensivtäter wird nach einer Haftstrafe nicht mehr rückfällig – für die Staatsanwaltschaft ist das ein Erfolg

Sie klagen immer mehr brutale Jugendliche an, sie kennen die Zusammenhänge in der Jugendgruppengewalt immer besser, sie verfolgen kriminelle Karrieren immer genau, sie arbeiten immer besser mit der Polizei zusammen: Die zehn Staatsanwälte der Abteilung 47, die sich mit Intensivtätern befasst, können stolz sein. Gut dreieinhalb Jahre nach der Gründung der Spezialabteilung gilt ihre Arbeit in der Justiz, unter Ermittlern und Fachleuten und in der Politik allgemein als Erfolgsmodell.

Da haben sich die Berliner mal etwas einfallen lassen, das bundesweit beispielhaft für den Umgang mit schwerkriminellen Jugendlichen wirken kann. Im Sommer 2003 setzten sich Staatsanwälte und Polizisten zusammen, legten Kriterien fest, was ein „Intensivtäter“ ist und regten die Organisation einer Ermittler-Einheit bei der Staatsanwaltschaft an, die sich nur um die besonders schweren Fälle unter den straffälligen Jugendlichen kümmert – das sind die, die binnen eines Jahres mit zehn Straftaten aufgefallen sind oder auch mit weniger, die dann aber besonders brutal verübt worden sind.

Der Ansatz der Spezialabteilung war folgender: Die Ermittler wollten ihre Klientel genau kennenlernen und im Blick behalten, um dem Jugendrichter vor Augen zu führen, dass ein Intensivtäter eben nicht bloß wegen einer oder fünf Dummheiten vor Gericht steht. Polizisten und Staatsanwälte der Abteilung 47 befassen sich seither, wann immer es nötig ist, mit denselben Tätern. Sie sehen, wohin sich jemand entwickelt. Es ist nicht mehr vom Zufall abhängig, dass die Strafverfolger kriminelle Karrieren entdecken.

Dass die Arbeit der Abteilung so gut angesehen ist, hat mehrere Gründe. Erstens bestätigt die polizeiliche Kriminalstatistik, dass ein hoher Anteil von Gewalttaten von jugendlichen Straftätern aus dem Migrantenmilieus verübt werden. Zugespitzt gesagt: Der aufsehenerregende Film „Knallhart“ über Neuköllner Umgangweisen zwischen Jugendlichen trifft die Wirklichkeit, er bebildert sozusagen die Statistik der Polizei.

Zweitens zeigt sich an manche jungen Männern mit den Jahren, dass die Intensivtäter-Abteilung wie für sie gemacht ist. Der Serientäter Mahmoud und der Schulhofschläger Sawis, die bei der Staatsanwaltschaft als die Erfinder der ihresgleichen gewidmeten Abteilung gelten, sind seit 2003 immer wieder mit neuen Taten aufgefallen. In der Intensivtäter-Datei sind jetzt insgesamt 475 Jugendliche und junge Männer erfasst.

Das dritte Argument für den Sinn der Arbeit der Spezialabteilung ist schlagend: Die Rückfallquote der Intensivtäter nach einer Haftstrafe liegt bei rund 50 Prozent. Immerhin: Jeder zweite Intensivtäter zieht aus dem Gefängnisaufenthalt den Schuss, dass er sein Leben besser ändert. Mit dieser Quote liegen die schwerkriminellen Jugendlichen zwar immer noch deutlich über dem Durchschnitt der kriminellen Jugendlichen: Von den Mittätern etwa eines Schlägertrupps wissen die Staatsanwälte, dass nur jeder Dritte nach einer Haftstrafe rückfällig wird. Dennoch wertet das der Leitende Oberstaatsanwalt Andreas Behm durchaus als Erfolg: Immerhin bei der Hälfte der Betroffenen hinterlasse die Zeit im Gefängnis offenbar einen nachhaltigen Eindruck.

Oberstaatsanwältin Sigrid Nielsen weiß von einer anderen statistischen Auffälligkeit: Wenn Intensivtäter nach einem Aufenthalt im Gefängnis abermals vor Gericht stehen, dann meistens wegen Straftaten, die nicht so schwer wie jene, die zur Haftstrafe geführt hatten. Das zeige, so Nielsen, dass die kriminellen Neigungen mancher Täter „deutlich entschärft“ werden konnten.

Besondere Ermittlungsmethoden für besondere Täter – das ist das Gründungsprinzip der Abteilung 47. Inzwischen erkennen – jedenfalls nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft, die meisten Jugendrichter die Arbeit der Abteilung an. Das war wohl nicht immer so. Anfangs hatte mancher Staatsanwalt den Eindruck, dass viele Jugendrichter die Ankläger für strafverfolgungsbesessen hielten. Heute heißt es bei der Staatsanwaltschaft, dass man die „Maßnahmen“ durchsetzen könne, die man für angebracht halte – vorausgesetzt, man überzeuge die Richter davon, dass so ein junger Schläger erstens nicht belehrbar, zweitens der Justiz gegenüber von Verachtung erfüllt und drittens renitent sei.

Ein derart dichtes Bild vom Angeklagten kann nur ein Ermittler zeichnen, der den Täten schon länger im Blick hat. So gilt das Berliner Intensivtäter-Modell auch unter Wissenschaftlern als erfolgreich. Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, hält einiges davon. Denn eine solche Spezialabteilung könne besser mit der Polizei und auch mit den Jugendämter zusammen arbeiten.

Der Hildesheimer Psychologe Werner Greve, der die Wirkung von Haftstrafen auf Jugendliche erforscht hat, sieht es ähnlich. Er hält die These, dass die Rückfallquote von 50 Prozent schon als Erfolg zu werten sei, für richtig. Doch weist Greve auch daraufhin, dass der Vergleich von Intensivtäter mit anderen kriminellen Jugendlichen Grenzen hat. Vereinfacht gesagt, unterscheiden sich Intensivtäter von anderen kriminellen Jugendlichen durch die verfestigte Neigung zu Straftaten.

Diese Neigung zeige sich oft schon im Kindesalter an auffälligem Verhalten. Sie soziale Gründe wie überforderte Eltern ebenso haben wie psychische, etwas das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Dass eine Gefängnisstrafe dem entgegenwirke, wundert Greve nicht: Jugendhaft bringe – anders als normaler Strafvollzug – einen gewissen Druck auf die Jugendlichen mit sich, ihr Verhalten zu ändern. Es bestehe ein dauernder Druck, zu lernen oder sich ausbilden zu lassen. Dem können sich nicht einmal Intensivtäter so leicht entziehen.

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