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Die Emdener Straße in Berlin-Moabit wurde zur "Schönsten Straße Deutschlands 2013" gekürt.

© Björn Kietzmann

Hässlich war gestern: Emdener Straße in Moabit ist „Die schönste Straße Deutschlands 2013“

Die Emdener Straße in Berlin-Moabit ist nun offiziell „Die schönste Straße Deutschlands 2013“. Zu Besuch in einem Kiez, der vor gar nicht langer Zeit ziemlich hässlich war.

Dieser Tag in Moabit vergeht nicht ohne Blutvergießen. Das ist wohl der Preis für den Preis. Philipp Schreiterer lutscht am Daumen, er hat sich geschnitten, und das ausgerechnet an dem Schild, das sein Engagement würdigt.

„Die schönste Straße Deutschlands 2013“ steht auf dem Blech an der Laterne, darunter eine bunte Zeichnung von Janosch, gemeint ist die Emdener Straße in Moabit. Nochmal: Die Emdener Straße in Moabit ist jetzt ganz offiziell Deutschlands schönste Straße. Das macht schon stutzig, auch die drei Knaben, die sich während der Zeremonie ins Foto drängeln. „Was, Alter, unsere Emdener? Hä? Neee, Alter.“

Doch. Aber es geht natürlich nicht so sehr um die Ästhetik der Straße, sondern um das nachbarschaftliche Engagement, mit dem Schreiterer und andere ihre Gegend in den letzten Monaten aufgewertet haben. Sie sammelten Müll, bepflanzten Beete und Baumplatten, übermalten die grauen Stromkästen. „Die Bewohner der Emdener Straße sind mit Handicaps gestartet, aber sie haben nicht aufgegeben und das wollen wir honorieren“, sagt Erdtrud Mühlens vom „Netzwerk Nachbarschaft“, das den Wettbewerb im Verbund mit einem Baumarkt initiierte. 115 Bewerber wollten den Titel, gewonnen hat ihn am Ende die Emdener Straße – auch, weil sie unter schwierigsten Voraussetzungen ins Rennen ging.

Schild: schön. Straße: schön. Alles: schön. Philip Schreiterer hängt die Auszeichung auch gleich auf.
Schild: schön. Straße: schön. Alles: schön. Philip Schreiterer hängt die Auszeichung auch gleich auf.

© Björn Kietzmann

Moabit zwischen Drogendreieck und Solidarität

Das Areal eine Problemgegend zu nennen, wäre allzu wohlwollend, hier liegt das sogenannte Moabiter Drogendreieck. Bis vor wenigen Jahren war es noch so verwahrlost, dass Anwohner reihenweise das Weite suchten. Und heute? Ist immer noch nicht alles gut, aber vieles grüner, und dazu multikulturell wie seit jeher. Mehr als 30 Nationalitäten. Schnauzbärtige Türken, die, vor einem Friseur stehend, ihre Gebetsketten drehen, Casinos und Spielhöllen, deren Leuchtreklamen über das Trottoir sprenkeln, es gibt Dönerläden und natürlich einen Fußballkäfig, kann ja gar nicht anders sein.

Es gibt aber auch: Eine neue Solidarität und Kommunikation, einen neuen Geist. Safiye Ergün sagt: „Die Leute gehen jetzt anders miteinander um, man grüßt sich und redet miteinander.“ Alexander Kujus wohnt auch in der Emdener Straße, er findet: „Man muss daran glauben, nie aufhören, dann zeigt solch eine Maßnahme Wirkung.“ Mit einem kleinen Beet im Hof der Nummer 5 fing alles an. Strafraummaße.

Hier ließen Philipp Schreiterer und seine Frau Franziska Willbrandt Pflanzen und Blumen sprießen, Flieder aus dem elterlichen Garten zu Beginn, später Farne und Rosen. Mit der Initiative „Saubere Sache“ des Tagesspiegels ging es weiter. Ein Straßenfest und mehrere Aktionstage später belohnen 5000 Euro Preisgeld den Einsatz. „Toll, dass Moabit bundesweite Aufmerksamkeit bekommt. Als ich die Einladung sah, dachte ich zuerst, ich habe mich verlesen“, sagt Bezirksbürgermeister Christian Hanke. Er weiß, es ist eine symbolische Prämie, viele Probleme haben Bestand. Aber ein Anfang ist gemacht.

Dass die nachbarschaftliche Solidarität gleichwohl auch Grenzen kennt, beweist sich während der Verleihung. Ein PKW blockiert die Einfahrt, in der die Scheckübergabe erfolgen soll. Und Erdtrud Mühlens vom Netzwerk Nachbarschaft fragt laut: „Kann man den nicht entfernen?“

Moritz Herrmann

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