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Häusliche Gewalt ist längst nicht nur ein privates Problem.

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Häusliche Gewalt in Berlin: „Zuerst wird mit Worten und dann mit Fäusten verletzt“

Warum kommt es zu häuslicher Gewalt? Und was kann man dagegen tun? Gerhard Hafner erklärt, wie Männer zu Tätern werden und welche Therapien es gibt.

Gerhard Hafner leitet ein Hilfsprogramm bei der Volkssolidarität. Dieses gibt es seit 1991 und ist das einzige Angebot für Täter in Berlin. Es umfasst halbjährige Kurse gegen Gewalt an Frauen sowie psychologische Beratung. 2017 nahmen 261 Männer teil, 53 an Täterkursen und 208 an Einzelberatungen. In die Kurse kommen Männer meist über eine gerichtliche Weisung, während sie Einzelberatungen meist selbstständig aufsuchen. Das Gespräch führte Helena Piontek.

Wie entsteht Gewalt in Partnerschaften?

Es gibt kein typisches Täterprofil. Ein Mann, der in einer Partnerschaft Gewalt ausübt, kann ein 20-jähriger Handwerker, aber auch ein 50-jähriger Arzt sein. In unserer Beratung für Männer gegen Gewalt stellen wir jedoch fest, dass unsere Klienten häufig nicht gelernt haben, familiäre Konflikte, die natürlich in jeder Beziehung entstehen, auf Augenhöhe mit der Partnerin zu lösen. Auch ein konservatives Rollenverständnis kann dazu beitragen, dass Männer zu Tätern werden.

Viele Täter haben Gewalt schon bei ihren Eltern miterleben müssen. Wenn schon der Vater die Mutter geschlagen hat, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Kinder auch selbst gewalttätig werden. Nicht selten beschimpfen oder beleidigen sich die Partner in den Wochen und Monaten vor der Gewalttat. Zuerst wird mit Worten und dann mit Fäusten verletzt. Ebenso wenig wie es den typischen Täter gibt, existieren typische Gewaltgeschichten der Paare.

Wie schafft es der Täter, aus der Gewaltdynamik herauszukommen?

Einige Männer erschrecken nach der Gewalttat. Sie schauen in den Spiegel und denken: Das kann doch nicht ich gewesen sein! Das tut doch nur ein Mann, der keine Verantwortung übernimmt, der seine Frau nicht liebt. Manche Täter brauchen eine Auflage, etwa vom Gericht. Oder die Partnerin fordert ultimativ, dass er sich ändern muss, andernfalls würde die Beziehung auseinanderbrechen und die Familie zerstört.

Welches Werkzeug geben Sie Tätern an die Hand, um in Konfliktsituationen in Zukunft anders reagieren zu können?

Alle Männer wollen gute Väter sein. Wir vermitteln den Männern, dass die Gewalt gegen die Mütter immer ihre Kinder in Mitleidenschaft zieht, egal ob sie es direkt miterleben oder nicht. Der Blick auf die Kinder ist eine starke Motivation für unsere Klienten, ihr Verhalten kritisch zu zu hinterfragen.

In einer Gruppe oder in der Beratung bei uns oder beim kooperierenden Projekt „Kind im Blick“ können Männer lernen, dass Gewalt nicht naturgegeben ist und dass sie sich Strategien aneignen können, Stress und Konflikte zu bewältigen.

Wie kann man präventiv Gewalt in einer Partnerschaft verhindern?

Jeder sollte wissen, dass häusliche Gewalt ein wichtiges und keineswegs nur privates Problem ist. Auch wenn solche Gewalt hinter Wohnungstüren passiert, hat sie Auswirkungen, die weit darüber hinausreichen.

Indem wir Männern aufzeigen, wo sie Hilfe bekommen und wie sie Konflikte produktiv lösen, kann Gewalt in den Familien verhindert werden. So werden Frauen und Kinder vor Misshandlungen geschHützt und es kann vermieden werden, dass Familien zerbrechen. Dies hat auch positive Auswirkungen auf die nächste Generation.

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