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Berlin: Häusliche Gewalt: In den Frauenhäusern werden Betten knapp

Immer mehr Frauen suchen Schutz im Frauenhaus, um gewalttätigen Lebenspartnern oder Ehemännern zu entkommen. Die fünf Berliner Frauenhäuser und 43 Zufluchtswohnungen mit insgesamt rund 450 Plätzen haben im vergangenen Jahr 2000 Frauen und ebenso viele Kinder aufgenommen.

Immer mehr Frauen suchen Schutz im Frauenhaus, um gewalttätigen Lebenspartnern oder Ehemännern zu entkommen. Die fünf Berliner Frauenhäuser und 43 Zufluchtswohnungen mit insgesamt rund 450 Plätzen haben im vergangenen Jahr 2000 Frauen und ebenso viele Kinder aufgenommen. Nach Schätzungen wird jede dritte Frau mindestens einmal von ihrem Freund oder Ehemann misshandelt. In den Frauenhäusern, deren Standorte geheim und deren Mitarbeiterinnen anonym bleiben wollen, heißt es sogar unisono: Die Gewalt nimmt zu, der Bedarf an Zufluchtsmöglichkeiten steigt.

"Ob die Männer eher zuschlagen, ob mehr Männer zuschlagen, oder ob die Frauen früher gehen - darüber kann man nur spekulieren", sagt Gabriele Kriegs, die das Frauenhaus der Caritas leitet. Die Caritas habe schon Frauen abweisen müssen und könne nicht mehr alle Anrufe Hilfesuchender annehmen. Waren es 1999 noch 563 Frauen, haben im vergangenen Jahr 677 Misshandelte diese Notunterkunft aufgesucht. Die Caritas will deshalb von jetzt 44 auf auf 50 Plätze erhöhen.

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Die Hilfesuchenden kommen aus allen sozialen Schichten und bleiben einen Tag bis zu sechs Monaten. Oft geht der Flucht eine jahrelange Leidensgeschichte voraus. Der von "Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt" (BIG) eingerichtete Runde Tisch, an dem sich außer Frauenhäusern und Beratungsstellen Politiker und Polizei beteiligen, will geschlagenen Frauen gezielter helfen. Vernetzt werden in dem bundesweit einmaligen Modellversuch die polizeilichen, straf- und zivilrechtlichen sowie sozialen Maßnahmen, sagte Frauensenatorin Gabriele Schöttler (SPD). Vier Frauenhausberatungsstellen wurden eingerichtet, bei denen die Frauen nach ihrem Aufenthalt im Frauenhaus Hilfe finden. Außerdem liegt in allen Polizeistellen seit einem Jahr der "Leitfaden häusliche Gewalt" aus - Gewalt, die die Polizei nun nicht mehr mit dem Begriff "Familienstreitigkeit" bagatellisiert und entsprechend nachranging behandelt. Jährlich fahren die Beamten bis zu 16 000 Einsätze wegen häuslicher Gewalt. In 90 Prozent der Fälle ist der Täter männlich. Die Dunkelziffer der Gewaltdelikte wird noch viel höher geschätzt. Außerdem sollen Fortbildungen für Polizisten und Juristen das Thema aus der Tabuzone herausholen. "Wir nehmen Gewalt - gerade in einem Bereich, wo man sich geschützt fühlt - nicht hin", sagt Schöttlers Sprecher Peter Florian.

Bei der BIG-Hotline (611 03 00) haben sich bisher über 2500 Anruferinnen gemeldet. "Männergewalt ist immer noch ein grundlegendes, gesellschaftliches Problem", sagte Schöttler. Auf Bundesebene wird zurzeit ein Gewaltschutzgesetz vorbereitet, das von BIG fachlich begleitet wird und demnächst in die erste Lesung im Bundestag geht. Ein Teil des Gesetzes ist das "Wegweisungsrecht", das es Justiz und Polizei zumindest auf dem Papier ermöglicht, den Täter der Wohnung zu verweisen, so dass die misshandelte Frau bleiben kann. Im Frühjahr soll ein sechstes Frauenhaus mit 50 Plätzen eröffnet werden.

Katharina Körting

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