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Haftanstalt Moabit: Arzneidiebstahl im Gefängnis: Beamte wieder in Verdacht

Seit der Medikamentenaffäre hat sich in Moabit offenbar wenig geändert. Justizbedienstete berichten von Selbstbedienung und fehlender Kontrolle.

Zwei Jahre nach Bekanntwerden der Arzneimittel-Affäre scheinen sich die Bediensteten in der Haftanstalt Moabit weiterhin selbst mit Tabletten zu versorgen. „Es gibt keine Kontrolle der Medikamentenausgabe“, sagt ein leitender Justizbeamter. Die Abgabe von Arzneimitteln an Kollegen sei gang und gäbe. Die Ausgabe werde nicht protokolliert. Da die Bediensteten beim Verlassen der Anstalt nicht kontrolliert werden, könnten Pillen paketweise nach Hause mitgenommen werden.

Die Medikamentenaffäre hatte 2007 Justizstaatssekretär Christoph Flügge den Job gekostet, erst eine Untersuchungskommission und später einen Prozess zur Folge gehabt. „Doch nach dem Skandal ist alles so geblieben wie vorher“, sagt Joachim Jetschmann, Chef des Berliner Beamtenbundes. Fünf Bedienstete waren 2008 wegen Diebstahls zu Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt worden. Die Richterin hatte gemutmaßt, dass es sich bei den 16 behandelten Fällen nur um „die Spitze des Eisbergs“ handele. Durch schlampige Organisation sei es den Angeklagten leicht gemacht worden. „Kontrollen gab es nicht wirklich. Jeder konnte auf die Schränke zugreifen.“ Vor dem Amtsgericht ging es um Pillen im Wert von 2230 Euro. Doch Ermittler befürchten, dass sich der Schaden auf mehrere hunderttausend Euro belief.

Die von Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) eingesetzte Untersuchungskommission konstatierte ebenfalls „erhebliche Mängel“ – und zwar für alle Berliner Gefängnisse. Das System sei katastrophal und öffne Missbrauch Tür und Tor, hieß es. Rund 1,6 Millionen Euro gibt die Justiz jährlich für Gefangene aus.

Neu geregelt wurde aber nur die zentrale Bestellung der Medikamente – wie diese dann in den Haftanstalten verteilt werden, ist nicht nachvollziehbar. Die Senatorin hat dies bereits bestätigt, ohne Aufsehen zu erregen. In ihrer Antwort auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Sebastian Kluckert („Gibt es ein Inventursystem, mit dem der Bestand kontrolliert wird und unbefugte Entnahmen entdeckt werden können?“) heißt es lapidar: „Ja, bei Betäubungsmitteln“. Dies ist gesetzlich vorgeschrieben. Ferner teilt Senatorin von der Aue mit: „Die Ausgabe von Medikamenten wird nicht besonders dokumentiert.“ Denn „geringwertige Güter“ müssten nach dem Haushaltsrecht nicht inventarisiert werden. Kluckert spricht der Justiz den Willen zur Neuorganisation ab. „Das Thema ist völlig unter den Tisch gefallen.“

In der Arztgeschäftsstelle der JVA Moabit geht nach Angaben des leitenden Beamten alles seinen gewohnten Gang: „Wenn das Regal leer ist, wird nachbestellt.“ Ein Diebstahl könnte nur auffallen, wenn in der Männerhaft „die Anti-Baby-Pille bestellt wird“. Joachim Jetschmann vom Beamtenbund fordert deshalb, auch den Bestand elektronisch zu erfassen, um die Selbstbedienung zu verhindern. Über einen Scanner könne die Ausgabe leicht erfasst werden.

Die Justizverwaltung betonte Sonntag, dass laut Dienstanweisung „Medikamente nicht an das Personal ausgegeben“ werden dürfen. Im Übrigen sei das Verfahren in allen Bundesländern und auch bei der Polizei identisch. Inzwischen soll es in der Justiz aber erste Überlegungen geben, die JVA-Mitarbeiter zumindest stichprobenartig zu kontrollieren. In Hessen ist das seit Jahren gängige Praxis.

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