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Berlin: Haken schlagen wie Hamlet

Schauspielerin Angela Winkler gibt heute ihren ersten Soloabend im BE Sie verspricht poetische Überraschungen – von Shakespeare bis Brecht

„Kein Liederabend!“ sagt sie, sehr bestimmt. „Ich spiele eine Frau – mich.“ Nanu? Ein Blick ins heutige Abendprogramm des Berliner Ensembles erklärt den kleinen Unterschied: „Ein Abend mit Angela Winkler“ steht da, und dann erst: Lieder und Gedichte. Die Schauspielerin sieht ihrem ersten Solo-Abend im BE gelassen entgegen, doch die innere Spannung ist groß, denn alles, was auf der Bühne gesprochen und gesungen wird, „hat mit meinem Leben und meiner Arbeit als Schauspielerin zu tun: Vieles, was ich irgendwo gespielt habe, fließt in diesen Abend“ – es ist Angela Winklers Vielseitigkeit, die da zu erleben ist, wenn die Schauspielerin aus der Kulisse kommt und erst einmal das Herbstlaub in die Ecke fegt, damit die Bühne frei ist für Worte, Gesten und Gedanken.

Wir treffen uns auf einen Cappuccino beim Italiener neben ihrer Wohnung am Schiffbauerdamm, wo vor den Fenstern die Möwen kreischen und die Stadt pulsiert. Angela Winkler lächelt mit den Augen, die langen, dunklen Haare umrahmen das frische Gesicht einer modernen Madonna, die es lustig findet, dass sie sich jetzt, mit fast 63 Jahren, den Kindheitstraum erfüllt, auf der Bühne zu singen und so dem Beruf ihrer heute 93-jährigen Mutter zu folgen. Vorbilder sind vielleicht Juliette Greco oder ihre Kollegin Barbara, die stets barfuß auf die Bühne kam – aber ihr Programm sei „so weit gespannt wie das Leben mit seinen Polen“: poetische Überraschungen mit Gedichten und Liedern von Else Lasker-Schüler, Ingeborg Bachmann, Brecht/Weill/Eisler und Shakespeare. Angela Winklers legendärer „Hamlet“ wird seine Lebensweisheiten ausbreiten – drei Texte hat sie ausgesucht, die immer gültig und aktuell sind: Hamlets Worte, wenn Fortinbras’ Heer in den Krieg zieht. Oder die Mahnungen zum Thema Anderssein und Ausgrenzung. Und schließlich Shakespeares/Winklers Gedanken zum Schicksal, das unser Leben verfolgt. „Ich möchte, dass der Zuschauer mit mir auf die Reise geht“, sagt sie, „ich möchte die Menschen berühren.“ Pause. „Mit meiner Stimme. Und was ich sage. Dass sie nachdenken. Dass sie aus ihrem Fernsehtrott herausgerüttelt werden. Aus ihrer Gewohnheit, zu sehen.“ Sie möchte die Leute irritieren, weil sie es „ganz anders“ macht: „Ich steh nicht da und sing ein Lied nach dem anderen. Sondern ich schlage Haken – wie Hamlet.“ Nein, sie folgt nicht dem Trend, dass Mimen auch mal zeigen wollen, dass sie singen können. Dabei sei es bei manchen ein Genuss, zuzuhören, zum Beispiel bei ihrer Lieblingsschauspielerin Dagmar Manzel.

Wenn Angela Winkler heute Abend ihre Geschichten erzählt, mit und ohne Noten (am Klavier sitzt Adam Benzwi, Geige spielt Dragan Radosavievich), dann ist das wohl der Anfang einer neuen Winkler-Welle mit Spaß am Spiel: Im BE steht sie in zwei Inszenierungen auf der Bühne, von Januar bis März spielt sie alternierend das Fräulein Schneider in „Cabaret“ in der Bar jeder Vernunft, und dazu immer mal wieder die Jenny der Dreigroschenoper im St.-Pauli-Theater. Film und Fernsehen würden sie auch einmal wieder reizen – ihre Katharina Blum ist lange her, und der deutsche Film ist stark im Kommen: „Da mach ich mit!“

Das Fest verbringt die sechsköpfige Familie – drei Söhne, eine Tochter, ein Ehemann – im Haus in der Bretagne. „Ich wünsche mir einen gelben Rosenstock, den ich zu Weihnachten pflanze, damit er im nächsten Jahr blüht“.

Heute 20 Uhr, Berliner Ensemble, Bertolt-Brecht-Platz 1, Info-Telefon 28 40 81 55

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