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Berlin: Halbe Strecke, doppeltes Vergnügen

Erfolgreicher Halbmarathon: Wetter gut, alles gut

Dieser Sonntag muss einfach gut werden. Rainer Münzenberg spürt es schon, als morgens in der S-Bahn von Marienfelde die Frühlingssonne seine kurzbehosten Beine wärmt. „Das Wetter ist wirklich perfekt“, sagt er, während er das Lächeln der Sonne erwidert. Münzenberg ist Genussläufer. In einer Stunde und 45 Minuten will er die gut 21 Kilometer schaffen, die die Schnellsten in einer Stunde rennen. In der Gürteltasche hat er Handy, Taschentücher, Monatskarte und Wohnungsschlüssel. Verpflegung? „Gibt’s ja am Ziel“, sagt er. Es ist der zehnte Halbmarathon für den 37-jährigen Ingenieur. Dass „Halbmarathon“ ein bisschen klingt wie „Vizemeister“, stört ihn nicht: „Man braucht viel weniger Vorbereitung als für einen Marathon.“ Andererseits muss er die Strecke ohne den Jubel seiner Familie bewältigen: „Nur beim Marathon würde noch jemand mitkommen.“

Während Münzenberg Unter den Linden aussteigt und in federndem Laufschritt zwischen den ersten Zuschauern verschwindet, reihen sich an der Ecke Friedrichstraße die mehr als 1600 Skater an der Startlinie auf. Um 10.20 Uhr rauschen tausende Rollen über die sonntagsstille Straße wie ein Windstoß durch den Wald. Mit mehr als 30 Stundenkilometern geht es durchs Brandenburger Tor Richtung Charlottenburg, am Schloss vorbei und über Ku’damm und Reichpietschufer zurück nach Osten.

Inzwischen sind auch die 14 Handbiker und Rolli-Fahrer gestartet. Die Läufer folgen: Erst die Weltklasse-Kenianer mit ihren Sieben-Meilen-Schritten, dann schwillt das Feld über alle vier Fahrspuren an. Fast 17 000 Menschen aus 67 Ländern, Rainer Münzenberg mittendrin — angefeuert von rund 150 000 Zuschauern am Straßenrand. Viele der Läufer applaudieren im Vorbeilaufen der trommelnden Samba-Gruppe mit den Cheerleadern, deren Lächeln sie beinahe über die halbe Strecke tragen dürfte. Erst auf dem Rückweg jenseits des Potsdamer Platzes wird es mangels Zuschauern still. Nur Keuchen und das Getrappel der Laufschuhe liegen in der Luft. An der Kochstraße schwillt der Applaus wieder an.

Klaus Wowereit hat inzwischen auch die gut 300 Nordic Walker auf die Strecke geschossen – auch wenn die Pistole wegen Ladehemmung nur leise klickte. Jetzt eilt er Unter den Linden entlang zum Ziel am Lustgarten, wo gleich die Spitzenläufer eintreffen. Touristen, die denselben Weg nehmen, dürfte dieses Berlin erschüttern: Vom Startplatz, neben dem ein Bagger auf den Trümmern des Hotels Unter den Linden thront, geht es zwischen großflächig aufgerissenen Gehwegen zum Schloßplatz mit dem hohläugigen Palast der Republik. Diesen Anblick rettet selbst die Sonne nicht.

Wowereit, der ja sonst gern an allem Möglichen teilnimmt, sagt, er sei eher Skifahrer und Golfer als Langstreckenläufer. „Außerdem muss ich ja den Startschuss geben und als Erster am Ziel sein. Da müsste ich ja Weltrekord laufen.“

Um Punkt zwölf Uhr biegt Rainer Münzenberg auf die Zielgerade ein. 1:41:27 zeigt der Computer, als er durchs Ziel läuft. Macht Platz 1890. „War super“, sagt er. „Hat richtig Spaß gemacht! Die Bands, die Zuschauer …“ Er kann sich gar nicht vorstellen jetzt, dass morgen schon wieder Alltag sein soll.

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