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Fürchten Sie sich vor diesem Clown? Heute sind sorgen Horror-Clowns wieder für Angst, Schrecken und Belustigung.

© dpa

Halloween in Berlin: „Im Menschen steckt ein Raubtier“

Der Psychologe Peter Walschburger spricht im Interview über Urängste und die Lust am Grusel.

Herr Walschburger, warum gruseln sich Menschen so gerne?
Ängste haben einen evolutionären Sinn. Sie sensibilisieren uns für Gefahren und lösen schnelle Schutzreaktionen aus. Viele unserer Urängste passen allerdings nicht mehr in unsere heutige Lebenswelt. Wenn wir uns allerdings gruseln, empfinden wir keine reine Angst, sondern „Angst-Lust“, ein Gefühlsgemisch aus Angst und lustvoller Erleichterung. Menschen genießen den Nervenkitzel umso mehr, je sicherer sie sich fühlen. Neben unserer konstitutionellen Angstbereitschaft zeichnet uns Menschen auch eine große Unternehmungslust aus.

Viele Menschen gruseln sich gerne im Kino, weil sie dort in Sicherheit sind und zugleich Aufregendes erleben können. Sie erschrecken im ersten Moment vor Monstern oder Killern, aber kurz darauf wird ihnen klar: Ach, mir kann auf meinem Kinostuhl ja eh nichts passieren.

Wie reagieren Menschen in unsicheren Umgebungen?
Verängstigt. Kaum jemand geht ja nachts alleine in einen Wald, um sich zu gruseln. Ein Gedankenexperiment verdeutlicht den Unterschied: Wenn eine Mutter ihr Kind mit einer Maske vor dem Gesicht zu Hause erschreckt, wird das Kind zunächst wohl verblüfft sein. Nimmt die Mutter die Maske sofort wieder ab, wird es vermutlich lachen. Würde die Mutter das Gleiche in einem Krankenhaus versuchen, wo das Kind sich unsicher fühlt, könnte es das Spiel nicht genießen, sondern wäre eher dem Weinen nahe.

Was passiert in unserem Gehirn, wenn wir uns erschrecken?
Wird eine Information aus der Umwelt als gefährlich interpretiert, so wird über eine kurze nervöse Verschaltung eine blitzschnelle, intuitive Abwehrreaktion ausgelöst: Unser Herz-Kreislaufsystem und unsere Motorik werden aktiviert. Unser Körper wird leistungsbereit. Wir können schneller flüchten. Auf den Schrecken folgt aber ein Moment der Reflexion. Höhere Gehirnregionen werden zugeschaltet und das intuitive, unscharfe Schreckgefühl kann sich aufklären zur Erkenntnis, dass wir in Sicherheit sind.

"Menschen genießen den Nervenkitzel umso mehr, je sicherer sie sich fühlen", sagt Psychologe Peter Walschburger.
"Menschen genießen den Nervenkitzel umso mehr, je sicherer sie sich fühlen", sagt Psychologe Peter Walschburger.

© Britta Pedersen/dpa

Können zu viele Gruselmomente zur Abnahme der Erregung führen?
Ja, das betrifft fast jede Emotion, die Menschen regelmäßig wiederholen. Ein gutes Beispiel sind James-Bond-Filme. Die neueren Streifen sind viel gewalttätiger und explosiver als die alten Filme. Die Zuschauer brauchen intensivere Reize, damit Spannung erzeugt wird.

Besitzt jeder Mensch in seinem Inneren die Veranlagung zum Bösen? Und benutzen wir Gruselfilme oder Geisterbahnen als Ventil, um das eigene Böse nicht ausleben zu müssen?
Der Begriff des „Bösen“ ist mir moralisch zu sehr aufgeladen und psychologisch wenig ergiebig. Wenn ein Mensch einen gegnerischen Soldaten tötet, wird er leicht als Held gepriesen. Wenn er aber zu Hause seine Ehefrau aus Eifersucht umbringt, wird er als Mörder verurteilt. Dass etwa Horrorfilme wie ein Ventil wirken könnten, um einen Aggressionsstau abzubauen, wurde in der Wissenschaft viel diskutiert. Wir sollten aber eher beachten, dass wir unsere Hemmschwellen gegen Gewalt absenken, wenn wir unsere Phantasie häufig und genussvoll mit Szenen voller Schrecken und Gewalt anregen.

Es gibt prähistorische und historische Belege für die These, dass im Menschen ein Raubtier mit viel Aggressionsbereitschaft steckt. Untersuchungen zur Todesart bei Männern aus steinzeitlichen Kulturen etwa zeigen, dass sehr viele von ihnen erschlagen wurden. Und von Kindersoldaten – etwa in Uganda – die zunächst zum Morden gezwungen wurden, wissen wir, dass viele von ihnen später in eine Art Rausch kamen und das Töten in der Folge dann nicht mehr sein lassen konnten.

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Jan Wendt

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