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Berlin: Handy-Überwachung beschäftigt Parlament

Linke und Grüne im Bund wollen massenhafte Abfrage von Verbindungen stoppen.

Berlin - Der Rechtsausschuss des Bundestages will sich an diesem Mittwoch mit der Handy-Überwachung befassen. In einer Anhörung geht es um einen Antrag der Linkspartei, wonach die massenhafte Abfrage von Handyverbindungen abgeschafft werden soll. Anlass waren unter anderem eine Million erhobene Verbindungen vermeintlich militanter Demonstranten gegen einen Naziaufmarsch in Dresden 2011. Auch die Grünen wollen die Abfragen beschränken und fordern eine Änderung der Strafprozessordnung.

Unlängst hatte Berlins Innenstaatssekretär Bernd Krömer bekannt gegeben, dass die Polizei mehr Handydaten ausgewertet hat als bisher bekannt. Auf der Suche nach Autobrandstiftern hatte die Polizei nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren in 375 Ermittlungsverfahren insgesamt 4,2 Millionen Mobilfunkverbindungen in Tatortnähe registriert, also Telefonate und SMS.

Zusätzlich sind nach Auskunft von Krömer seit 2009 in mehr als 800 weiteren Verfahren Funkzellen und dadurch Kennern zufolge bis zu acht Millionen Verbindungen in der Hauptstadt ausgewertet worden – insgesamt also rund zwölf Millionen. In Berlin entstehen täglich rund 40 Millionen Handy-Verkehrsdaten. Die seit 2009 überprüften Daten machen 0,027 Prozent aller Mobilfunkverbindungen in Berlin aus. Generell wertet die Polizei zunehmend Funkzellen aus, 2009 waren es 355, ein Jahr später 366, 2011 schon 541. Die Ermittlungsmethode wird offenbar unabhängig davon genutzt, ob die Zahl der Taten steigt. So wurden 2009 in 162 Fällen Funkzellen ausgewertet, die sich nicht auf Staatsschutzdelikte bezogen. Ein Jahr später waren es mit 323 schon doppelt so viele Abfragen für nicht politisch motivierte Taten – und das, obwohl 2010 die Kriminalität in Berlin auf dem tiefsten Stand seit 1990 war.

Funkzellenabfragen sind umstritten, weil sie nur nach schweren Taten angewandt werden sollen. „Diese Entwicklung ist nicht verwunderlich. Experten beklagen seit langem, dass dieses Fahndungsmittel zum Standard wird“, sagte der Anwalt Sönke Hilbrans, Vize-Chef der Deutschen Vereinigung für Datenschutz. Juristen kritisieren, dass Ermittlungsrichter den Einsatz oft genehmigt hätten, ohne die Verhältnismäßigkeit abzuwägen.

Dem Polizeipräsidium zufolge hatte keine Funkzellenauswertung direkt zu einem Brandstifter geführt, dennoch wurden sie weiter genutzt. „Diese Entwicklung ist nicht verwunderlich. Experten beklagen seit langem, dass dieses Fahndungsmittel zum Standard wird“, sagte Anwalt Sönke Hilbrans. Ein Staatsanwalt muss die Abfrage bei einem Ermittlungsrichter beantragen.

Juristen kritisieren, dass Richter meist dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgten, ohne die Verhältnismäßigkeit des Eingriffes abzuwägen. Dies aber wird vom Gesetzgeber verlangt.

Wie viele Abfragen in Berlin insgesamt durchgeführt werden, ist nicht bekannt. Nicht nur die Polizei, auch andere Behörden fordern solche Daten an, etwa das Bundeskriminalamt. Hannes Heine

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