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Berlin: Handy-Überwachung: Modernste Abhörtechnik ohne rechtliche Basis

3,6 Millionen Mark bewilligte das Abgeordnetenhaus vergangene Woche für die Modernisierung der polizeilichen Telefonüberwachungstechnik. In einer ersten Stufe sollen damit die bisherigen Anlagen ersetzt und die Auswerteplätze mit der Überwachungsanlage vernetzt werden.

3,6 Millionen Mark bewilligte das Abgeordnetenhaus vergangene Woche für die Modernisierung der polizeilichen Telefonüberwachungstechnik. In einer ersten Stufe sollen damit die bisherigen Anlagen ersetzt und die Auswerteplätze mit der Überwachungsanlage vernetzt werden. In der zweiten Stufe sollen dann ab 2003 die Voraussetzungen für die Überwachung der künftigen UMTS-Technik geschaffen werden. Diese Technik befindet sich zur Zeit jedoch noch in der Entwicklung. Berlin will damit offenbar die Stufe der jetzigen Technik zur Überwachung von Mobiltelefonen mittels eines so genannten IMSI-Catchers überspringen.

Zum Thema Newsticker: Aktuelle Meldungen aus Berlin und Brandenburg Er gilt vielen Kriminalisten als "Wunderwaffe zur Verbrechensbekämpfung". Mit dem Gerät lässt sich die IMSI (International Mobile Subscriber Identity) eines Handys und so dann der Anschlussinhaber feststellen. Rechtlich ist der Einsatz allerdings stark umstritten, denn eine vorläufige Versuchsgenehmigung ist bereits im September 1999 ausgelaufen. Die Position von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), wonach auch die Abhörparagrafen der Strafprozessordnung rechtlich ausreichen, wird von den meisten Fachleuten nicht geteilt. Daher verfügen zur Zeit nur das Bundeskriminalamt (BKA) und der Bundesgrenzschutz (BGS) über je ein Gerät, dass seit 1998 in rund 35 Fällen von Schwerkriminalität eingesetzt wurde.

In einem Umkreis von etwa 200 Metern simuliert ein aktivierter IMSI-Catcher die Basisstation, bei der sich jedes eingeschaltete Handy anmeldet. Dabei teilt es zunächst seine IMSI-Kennung mit, so dass der Catcher die Gerätedaten erkennt und dessen Standort bis auf 50 Meter genau lokalisieren kann. Auch die von Kriminellen oft benutzte Methode, verschiedene Pre-Paid-Karten zu verwenden oder mehrere Handys einzusetzen, sie unter falschem Namen anzumelden oder einen ausländischen Provider zu nutzen, hilft nicht.

Anhand der ermittelten Daten kann danach eine reguläre Telefonüberwachung beantragt werden. Bei einem Einsatz des IMSI-Catchers stellen sich allerdings ernst zu nehmende Rechtsprobleme. Selbst Institutionen, die der Telefonüberwachung positiv gegenüber stehen, sehen Schilys Position als äußerst bedenklich. So ist die Zentralstelle für Organisierte Kriminalität und Korruption beim Generalstaatsanwalt in Celle der Ansicht, bei einem seit zwei Jahren gar nicht mehr zugelassenem Gerät könne es dafür keine Rechtsgrundlage geben. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Mitte Juni die Justizministerkonferenz. Sie sah die Gesetzeslage ebenfalls als nicht ausreichend an und forderte "klarstellende Regelungen".

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sehe eine Rechtfertigung nach der Strafprozessordnung daher "sehr kritisch", sagte seine Sprecherin, Svenja Schröder-Lomb. Weitere Kritik kommt von den Datenschützern, denn beim Einsatz des IMSI-Catchers sind alle - auch unschuldige - Handy-Benutzer in seinem Einzugsbereich betroffen.

Zur Zeit verfügt die Berliner Polizei über 75 herkömmliche Aufzeichnungsgeräte und 55 Auswerteplätze. Damit lassen sich 95 Überwachungen gleichzeitig durchführen. Dennoch komme es zu "Wartelisten von bis zu 60 Beschlüssen". Nach Körtings Schätzung werden in diesem Jahr etwa 1000 Abhörmaßnahmen durchgeführt, der künftige Bedarf liege bei rund 1500.

Otto Diederichs

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