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Berlin: Harte Linie gegen Gewalt an Schulen

Gericht bestätigt Verweis gegen einen 14-Jährigen, der wiederholt auffiel – Polizei und Lehrer wollen besser zusammenarbeiten

Er hatte wiederholt Mitschüler bedroht und tätlich angegriffen, jetzt muss ein 14-Jähriger Schüler die Schule wechseln. Das Verwaltungsgericht bestätigte gestern den Schulverweis gegen den Jungen – ein laut Schulexperten neuartiger Vorgang. Das Gericht lehnte einen Eilantrag gegen den Schulverweis ab. Begründung: der Schüler habe sich „äußerst gewalttätig und uneinsichtig“ gezeigt. Alle bislang ergriffenen Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen seien wirkungslos geblieben. Auch eine angeordnete Antigewaltschulung der Polizei habe er gestört. Zu seiner Verteidigung hatte der Schüler vor Gericht gesagt, Drogen, Gewalt und Waffen seien eben Realität im Schulalltag .

Aus der Senatsschulverwaltung hieß es, der Junge bleibe schulpflichtig. Das zuständige Bezirksamt und die dortige Schulaufsicht müssten nun eine „gleichwertige Schule finden, die Plätze frei hat“. Zur bisherigen Schule des Jungen und zum Bezirk konnten weder die Schulverwaltung noch der Sprecher des Verwaltungsgerichts Angaben machen.

Der Fall wurde gestern bekannt, kurz nachdem die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) eine gemeinsame Pressekonferenz zum Thema Gewaltprävention an Schulen veranstaltet hatten. Die Verbände hatten dort beklagt, dass ein Schulverweis nur in Ausnahmefällen ausgesprochen werde und vor Gerichten Bestand habe. Um Gewalt an Schulen vorzubeugen, wollen die Polizisten- und die Lehrergewerkschaft künftig enger zusammenarbeiten. So sollen Lehrer und Polizisten gemeinsam lernen, Referendare bei der Polizei hospitieren. Schulleiter sollen verpflichtet werden, schwere Gewalttaten immer anzuzeigen. Es sei „eine flächendeckende, abgestimmte Strategie“ notwendig, sagte Bodo Pfalzgraf, Berliner Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft. 560 Gewaltvorfälle meldeten die etwa 1000 Berliner Schulen im Schuljahr 2003/2004 – rund ein Drittel mehr als im Vorjahr. Eine Studie des Bundeskriminalamts besagt, dass fünf von hundert Schülern regelmäßig Gewalttaten begehen. Jeder Dritte schlägt gelegentlich zu.

Die Zahlen seien alarmierend, sagt Pfalzgraf, wegen der immens hohen Dunkelziffer aber „Augenwischerei“. Er gehe von 180000 Fällen in Berlin pro Jahr aus. Die Polizei wertet auch die Androhung von Gewalt, Mobbing oder Diebstahl als „Gewaltvorfall“. Der Vorsitzende des Berliner VBE, Helge Dietrich, sagte, dass viele Schulleiter aus Sorge um den Ruf ihrer Schule Gewaltfälle nicht anzeigten. Ähnlich sieht es die GEW, die mitgliederstärkere Berliner Lehrergewerkschaft. Allerdings scheint es zwischen den Gewerkschaften noch Abstimmungsbedarf zu geben. „Wir sind in die Pläne der Polizei und des VBE nicht eingeweiht“, sagte der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne.

Nach Meinung der Schulpolitiker leistet die Polizei schon einiges in der Präventionsarbeit. Die FDP-Abgeordnete Mieke Senftleben hört, die Polizei sei „sehr engagiert“ in den Schulen. SPD-Bildungspolitiker Karlheinz Nolte weiß von Neuköllner Schulen, dass die gerne eine noch intensivere Zusammenarbeit mit der Polizeidirektion hätten, deren Personal aber nicht ausreiche. Für die Schulen in den Problemkiezen wünscht sich Nolte noch mehr direkte Aufklärungsarbeit durch die Polizei: „Die Beamten könnten im Unterricht den Schülern erklären, wie kriminelle Karrieren ablaufen.“ Der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, sagt, Polizei und Schulen müssten „an ihren Methoden noch arbeiten“. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Frank Henkel sieht die Schulen in der Pflicht. Wenn Eltern keine Werte vermittelten, müssten Schulen das tun. Daher fordere die CDU Werteunterricht.

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