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Berlin: Harter Streit um harten Kurs

In der Kriminalitätsstatistik nehmen Rohheitsdelikte stark zu, doch die Politik hat keine Antwort, wie mit den Tätern umzugehen ist

Nach dem Mord an dem siebenjährigen Christian Sch. wird in Berlin der Umgang mit Serientätern neu diskutiert. So will die CDU, unterstützt von der Polizeigewerkschaft GdP, mehr Härte gegenüber Intensivtätern und notorischen Schlägern wie dem mutmaßlichen Mörder aus Zehlendorf. Das bedeutet: Wenn einer wiederholt vor dem Jugendrichter stand und davon nicht beeindruckt war, dann muss er hinter Gitter. Dagegen hält Justizsenatorin Karin Schubert. Sie glaubt nicht an „Härte“ oder „Verschärfung“ irgendwelcher Strafen. Und sie verteidigt den Jugendrichter, der dem 16-jährigen Gewalttäter Haftverschonung gewährte – nur ein paar Wochen, bevor der zum Mörder wurde. Hinterher, so die Justizsenatorin, sei man immer schlauer.

Im Streit um den richtigen Umgang mit jugendlichen Gewalttätern sind die Politiker schon lange in den Schützengräben. Dabei gibt es Gründe genug, über neue Wege zu reden. Denn die Rohheit unter Jugendlichen nimmt zu – dem allgemeinen Trend der Kriminalitätsentwicklung zuwider. Kühle Beobachter mögen, wenn ein Kind ermordet worden ist, auf die Statistik verweisen und darauf, dass die These von der Zunahme der Jugendkriminalität ein Klischee sei. Tatsächlich sinkt die Zahl der Kioskeinbrüche und Mopeddiebstähle. Aber seit Jahren nimmt die Gewaltkriminalität zu, begangen durch Jugendliche, gegen Jugendliche und auch mal gegen Kinder. 2004 hat die Polizei in 10299 Fällen von Rohheitsdelikten gegen Jugendliche ermittelt – so viele wie noch nie zuvor.

Polizisten und Staatsanwälte, die mit kriminellen Jugendlichen zu tun haben, kennen die blutigen Details aller Arten von Körperverletzung – und sie sprechen durchgängig und einhellig von einer oft erschreckenden Brutalität und Gewaltbereitschaft; Messer werden gebraucht, aber auch mal eine Gehwegplatte. Die Gewalt beginnt auf Schulwegen und in Einkaufszentren – dort, wo der Stärkere einem Schwächeren die Markenjacke wegnehmen will oder das Mobiltelefon. Nicht jeder Raub, jede Körperverletzung werden angezeigt. Polizisten, die vorwiegend mit Jugendgewalt zu tun haben, pflegen die Kontakte zu Schulen und Lehrern, um zu erfahren, wo sich Delinquenz entwickelt.

Noch eine Tendenz macht den Ermittlern Sorge: Sie sehen, wie sich Jugendlichen aus sozial schwachen Milieus systematisch zukiffen. Die Kombination von Joint und Bier ist in manchem Park auch tagsüber weit verbreitet. Die Zahl derer, die den Polizisten in den Abschnitten regelmäßig auffallen, sind nicht groß; mal auf dem Spielplatz fünf oder sechs, mal im Park zehn junge Männer. Doch sie gehören – der Mord an Christian S. hat es gezeigt – zu einem Milieu und einer Entwicklung, die zu immer mehr Jugendgewalt führt. Mit den politischen Auseinandersetzungen darüber können weder Polizisten noch Staatsanwälte etwas anfangen.

Sinnlos wie der Streit um erlaubte Joints könnte nun die Debatte über die so genannten geschlossenen Heime verlaufen. Der Sinn solcher Einbaurichtung ist für die meisten Politiker Ansichtssache und soll es wohl auch bleiben. Die meisten Plätze in geschlossenen Heimen halten Bayern (74) und Baden-Württemberg (36) vor.

Es sind Häuser, in die Jugendliche für sechs Monate oder ein Jahr eingewiesen werden; hinaus dürfen sie nach einer Übergangszeit aber für einige Stunden oder auch mal an einem Wochenende. Sie bekommen therapeutische – und Bildungsangebote. Eingewiesen werden sie durch familienrichterliche Beschlüsse – möglichst bevor sie als Intensivtäter auffallen.

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