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Berlin: Hartz-IV-Panne: Berlins Arbeitsämter zahlen Abschlag Wer bis Montag kein Geld auf dem Konto hat,

soll sich bei der Behörde melden

Von Sabine Beikler

Von einer „tragischen Panne“ und einem „kleinen Fehler mit großer Wirkung“ sprach der Vorstand der Nürnberger Bundesagentur, Heinrich Alt: Durch eine Computerpanne haben bundesweit fünf Prozent aller 2,8 Millionen Hartz-IV-Betroffenen ihr Arbeitslosengeld II (ALG) nicht pünktlich zum 1. Januar erhalten. Wie viele der 270 000 ALG-II-Empfänger in Berlin davon betroffen sind, konnte Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, am Sonnabend nicht sagen. Er versicherte jedoch, dass „jeder, der bis Montag kein Arbeitslosengeld II auf seinem Konto hat, eine Abschlagszahlung bei seiner Arbeitsagentur erhält“.

Die Betroffenen können Barschecks bei der Postbank einlösen. In Neuköllner und Reinickendorfer Arbeitsagenturen haben Hartz-IV-Empfänger die Möglichkeit, das Geld per Chipkarte an Kassenautomaten in den Agenturen zu ziehen. Bis Mitte Januar sollen in allen fünf Berliner Agenturen solche Automaten stehen. Möller zufolge liegt es allerdings im Ermessen der zuständigen Sachbearbeiter in Neukölln und Reinickendorf, den betroffenen ALG-II-Empfängern den Abschlag über die Chipkarte anzuweisen oder ihnen Barschecks auszustellen. „Der Sachbearbeiter entscheidet, ob es den Klienten zumutbar ist, zur Postbank zu gehen.“ Spätestens bis Mittwoch oder Donnerstag werden alle ALG-II–Empfänger „zu 100 Prozent“, versichert Möller, ihr Geld auf dem Konto haben.

Sollten Betroffene mit einem Kontoauszug nicht nachweisen können, dass sie das ALG II nicht erhalten haben, werde ihnen „im Zweifelsfall“ der Abschlag auch genehmigt, sagt der Sprecher. Ohnehin werde die angewiesene Abschlagszahlung mit der nächsten Monatsüberweisung verrechnet.

Von 270 000 Berliner ALG-II-Empfängern haben bisher 5400 Widersprüche eingelegt, in Brandenburg 7600 von 180 000. „Offensichtliche Fehler“ wie ein nicht berücksichtigtes Kind seien unmittelbar nach einem Widerspruch korrigiert worden. Trotzdem rät der Berliner Anwaltsverein, die Bescheide noch einmal von Fachanwälten für Sozialrecht überprüfen zu lassen. „Oft können falsche Berechnungen zugrunde liegen. Auch klare Erläuterungen fehlen“, sagt Ulrich Schellenberg, Vorsitzender des Anwaltsvereins. Während Möller an die Betroffenen appelliert, bei Fragen sich an die Sachbearbeiter zu wenden, weist Schellenberg auf die „Unabhängigkeit der Anwälte“ hin. Wer bedürftig ist, erhalte einen Beratungsschein, mit dem er eine Beratungsgebühr von zehn Euro zahlen müsse.

Protestinitiativen rufen am Montag um 10 Uhr zu einer Anti-Hartz-Demonstration nahe der Arbeitsagentur am Weddinger Leopoldplatz auf. Der Marsch war nur mit der Auflage genehmigt worden, dass die Kundgebung nicht vor der Agentur stattfindet. Politikwissenschaftler Peter Grottian, der die Demo angemeldet hat, hat dagegen juristische Schritte eingeleitet. Bis Redaktionsschluss stand eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch nicht fest.

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