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Berlin: Hartz IV: Senat will Zwangsumzüge verhindern Lösung im Streit zwischen Finanzsenator Sarrazin und Sozialsenatorin Knake-Werner in Sicht

Die 490 000 Empfänger des Arbeitslosengeldes II werden bald Gewissheit haben, in welcher Höhe der Senat ihre Wohnkosten übernimmt. Nach wochenlangem Streit sieht es so aus, als könnten sich die Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) und der Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) in den nächsten Tagen auf eine Ausführungsvorschrift „zur Angemessenheit der Wohnung“ einigen.

Die 490 000 Empfänger des Arbeitslosengeldes II werden bald Gewissheit haben, in welcher Höhe der Senat ihre Wohnkosten übernimmt. Nach wochenlangem Streit sieht es so aus, als könnten sich die Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) und der Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) in den nächsten Tagen auf eine Ausführungsvorschrift „zur Angemessenheit der Wohnung“ einigen. Das Chefgespräch findet voraussichtlich am Montag statt.

Die Devise lautet: So wenig Arbeitslose wie möglich sollen umziehen müssen, weil der Staat die Miete nicht mehr voll übernimmt. Darin sind sich auch die Koalitionsfraktionen SPD und PDS einig. Innerhalb des Senats zeichnet sich folgender Kompromiss ab: Die Berechnung der Wohnkosten, die das Land Berlin zahlt, soll sich an der Bruttokaltmiete orientieren. Oder an der Nettokaltmiete plus einer Betriebskostenpauschale. Das kommt dem Finanzsenator entgegen, der die Betriebs- und Heizkosten gedeckelt haben will. In problematischen Fällen (zum Beispiel Alleinstehende mit Kindern oder alte Menschen) soll die Mietobergrenze um 10 Prozent überschritten werden können. Knake-Werner wollte ursprünglich 15 Prozent.

Außerdem soll jeder Einzelfall daraufhin überprüft werden, ob ein Umzug einschließlich der Folgekosten tatsächlich wirtschaftlicher ist als die volle Übernahme der Wohnkosten. Auch bei den Richtwerten für „angemessene“ Mietkosten wollen sich Sarrazin und Knake-Werner aufeinander zubewegen. Bisher hatte sich der Finanzsenator an einem Segment im Mietspiegel orientiert, dass bei 4,50 bis 4,99 Euro pro Quadratmeter liegt, während die Sozialsenatorin 5,50 bis 5,99 favorisierte. Man könnte sich irgendwo dazwischen treffen.

Denn der Senat will nicht nur viele Umzüge vermeiden, sondern auch die Zusammenballung der „Hartz-Geschädigten“ in innerstädtischen Wohngebieten, die jetzt schon genug sozialen Sprengstoff enthalten. Es scheint aber schwierig zu sein, in „besseren“ Kiezen genügend preiswerte Wohnungen anzubieten. Momentan gibt es nicht einmal brauchbare Schätzungen, wie viele Arbeitslose umziehen müssen, wenn der Senat die Miete nicht mehr übernimmt.

Der Hauptgeschäftsführer des Mietervereins, Hartmann Vetter, hält „eine Größenordnung von 10 000 bis 30 000 nicht für überzogen“. Konkret belegen kann er diese Schätzung nicht. Er plädierte gestern für eine Lösung, „die jedem Einzelfall wirklich gerecht wird“. Senatsintern wird eine Zahl von 15 000 Umzüglern gehandelt, die auf einem wackeligen Vergleich mit Stuttgart beruht. Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) wurde beauftragt, zur Klärung der Wohnungsfrage beizutragen. Öffentlich äußern wollte sich die Stadtentwicklungsverwaltung gestern nicht. Die strittige Ausführungsvorschrift tritt am 1. Juli 2005 in Kraft.

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