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Hatice Akyün: Ein Mammut namens Olympia in Berlin

Tagesspiegel-Kolumnistin Hatice Akyün denkt mal etwas genauer über die Olympischen Spiele in ihrer Stadt nach. Sie findet die Idee "an sich nicht verkehrt", aber sie hat da ein paar Fragen.

"Ich erkläre die Olympischen Sommerspiele für eröffnet.“ Dieser Satz im Sommer 2024 gesprochen im Berliner Olympiastadion aus dem Munde einer Bundespräsidentin. Was für eine tolle Idee. Die Welt blickt auf Berlin und alle Länder treffen sich zum sportlichen Wettstreit – friedlich und fair. Unsere Sportstätten haben wir alle generalüberholt. Ein neues olympisches Dorf ist entstanden, natürlich klimaneutral. Und lauter gut gelaunte junge Menschen pilgern von Veranstaltung zu Veranstaltung. Und es hat einen weiteren unschätzbaren Vorteil: Man deckt über alles den Mantel eines großen Projektes, das Kleinklein rückt in den Hintergrund und liegt im Schatten der alles überstrahlenden Fackel des Olympischen Feuers, das in uns allen brennt.

Ach so, da habe ich doch glatt verdrängt, dass die Spiele die Chinesen mal so eben 40 Milliarden gekostet haben. London war für knapp zwölf Milliarden dagegen ein echtes Schnäppchen. Und man schaffte zusätzlich einen rechtsfreien Raum, in dem das IOC schaltet und waltet, wie es lustig ist. Mitmachen darf nämlich nur, wer für Sponsorenverträge, Übertragungsrechte und Lizenzgebühren bezahlt. Pommes nur von einer Fastfood-Kette und Brause aus Atlanta. Die Infrastruktur stemmen das Land Berlin und der Bund aus Steuergeldern. Eintrittsgelder sind steuerfrei, ebenso wie alle wirtschaftlichen Umsätze, die das IOC generiert.

Weltrekord im Kraulschwimmen? Schulschwimmen ist auch nicht unwichtig

Was nutzt mir also ein neuer Weltrekord in 100 Meter Kraulschwimmen, wenn dafür das Schulschwimmen aus Geldmangel ausfällt? Was bleibt den Bürgern als Nutzen, wenn der Rummel vorbei ist? Und nicht zu vergessen ist, wie sehr sich Berlin in der Umsetzung von Großprojekten tagtäglich profiliert. Bitte nicht falsch verstehen, ich will nicht den Miesepeter geben. Es freut mich ja, dabei zu sein, wenn etwas Außergewöhnliches um mich herum geschieht. Aber ein Gedanke bewegt mich dennoch: Ist ein derartiges Mammutprojekt die Vision, die meine Stadt braucht, um sich weiterzuentwickeln?

In Peking hat man ganze Viertel zerstört und Menschen vor vollendete Tatsachen gestellt. London war vor den Spielen eine Reise wert, solange man sich im Zentrum bewegte und genug Spielgeld eingesteckt hatte. Fahren Sie dort mal vom City-Airport mit dem Taxi in die Stadtmitte. Sie durchqueren ganze Areale in bitterster Armut. Die Randale in Brasilien jetzt bei der WM speist sich aus dem Unmut, dass einige wenige richtig absahnen und die unten in die Röhre gucken.

München sagte "Nein" zu Olympia

Die Idee, die Sommerspiele 2024 nach Berlin zu holen, ist an sich nicht verkehrt. Nur die Organisation tritt den Sinn dahinter aus Gier mit den Füßen. Das gefällt den Menschen nicht. Die Münchner sagten „nein“ zu Olympia. Wir Berliner werden das hoffentlich auch tun. Warum werden wir nicht einfach die internationalste, modernste und sozialste Stadt mit dem ganzen Geld, dass wir ohne Olympia sparen würden? Das kann man einfach tun, man muss nur runtersteigen vom Olymp. Den Wettbewerb der Ideen und Taten kann man entfachen, ohne lange zu fackeln. Es muss einem nur ein Licht aufgehen.

Oder wie mein Vater sagen würde: „Dünya bol olmuÿ neye yarar, pabuç dar olduktan sonra.“ Was nützt es dir, dass die Welt groß ist, wenn dir dein Pantoffel zu klein ist?

Hatice Akyün ist in Anatolien geboren, in Duisburg aufgewachsen und in Berlin zu Hause. An dieser Stelle schreibt sie immer montags über ihre Heimat.

Weitere Positionen zur Olympia-Bewerbung Berlins finden Sie in unserer Olympiadebatte.

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