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Die Vermittlerin. Hatice Akyün ist in der Türkei geboren, in Duisburg aufgewachsen und lebt in Berlin. Über ihre Alltagserfahrungen hat sie mehrere Bücher geschrieben – und spricht mit viel Leidenschaft darüber.

© Christian Mang

Hatice Akyün erhält Preis für Integration: Kämpferin gegen Klischees

Die deutsch-türkische Journalistin Hatice Akyün erhält den Sonderpreis für Toleranz und Integration der „Initiative Hauptstadt Berlin“.

Hatice Akyün und die Leserinnen und Leser des Tagesspiegels, das ist seit vielen Jahren von beiden Seiten eine Liebesbeziehung der besonderen Art. Wenn Hatice Akyün aus einem ihrer Bücher im Verlagshaus am Askanischen Platz liest, tun Interessenten gut daran, rechtzeitig da zu sein. Denn regelmäßig reicht der große Konferenzraum mit seinen fast 200 Sitzplätzen nicht aus, wenn die 1969 in Akpinar, 100 Kilometer südöstlich von Ankara geborene Journalistin über ihr Leben zwischen Deutschland und der Türkei erzählt – geistreich, humorvoll, hintersinnig, manchmal traurig ob deutscher Denk- und Gefühlsblockaden, manchmal glücklich glucksend über die plötzlich aufbrechenden Heimatgefühle – und Heimat ist Duisburg, wo sie aufwuchs, Heimat ist Berlin, wo sie lebt. Und Heimat ist eben auch die Türkei. Auf die dortigen familiären Wurzeln besinnt sie sich ganz bewusst. Vielleicht ist es auch dieses „Wissen, woher man kommt“, was die Leser begeistert. Schließlich ist in dieser Stadt fast niemand ohne migrantische Wurzeln, woher auch immer, und oft noch gar nicht so lange zurückliegend.

Entdeckt für den Tagesspiegel hat Hatice Akyün der langjährige Leiter der Berlin-Redaktion, Gerd Nowakowski. Immer wieder war ihm die quirlige Kollegin bei Veranstaltungen begegnet, aufgefallen als extrem umtriebig, und sowohl in der türkischen als auch in der Alt-Berliner Community bestens vernetzt. Und weil der Tagesspiegel auch viele Leserinnen und Leser mit türkischen Wurzeln hat, weil man schließlich dem dummen Kopftuch-Mädchen-Gerede einfach Fakten entgegensetzen muss, überredete Gerd Nowakowski die Kollegin, einmal in der Woche eine Kolumne für unsere Zeitung zu schreiben – erstmalig am 28. Februar 2011, und von der ersten Ausgabe an traf sie den richtigen Ton und klärte ihre Position: Ich, Hatice Akyün, habe türkische Wurzeln, aber Deutschland ist meine Heimat, und deshalb darf, deshalb muss ich mich einmischen und meine Meinung sagen. Sie tat und tut es, immer präzise, selbstironisch, und böse, ja, wirklich böse, wird sie nur, wenn sie sich mit Vorurteilen auseinandersetzt. Vielleicht lieben sie die Leser dieser Zeitung auch deshalb, denn jeder Journalist dieser Zeitung merkt bald, dass die Leser zweierlei nicht mögen: wenn sie sich gegängelt fühlen und wenn man ihnen mit Klischees kommt.

Hatice Akyüns Laufbahn ist die der typischen Aufsteigerin. Der Vater ist Bergmann, und als Deutschlehrer ist er für das Kind Hatice so wenig geeignet wie die geliebte Mutter. Aber da gibt es die Hanni-und-Nanni-Bücher und die deutschen Märchen, und als das Kind einen Job als Rechtsanwaltsgehilfin bekommt, ist aus Sicht der Eltern der Berufsweg klar. Nicht aber aus Sicht der Tochter. Die studiert, und als die örtliche Zeitung in Duisburg ein türkischsprechendes Schreibtalent sucht, um Gerichtsreportagen über türkischstämmige Kriminelle zu schreiben, weiß sie plötzlich, wohin die Reise gehen wird. Sie volontiert im Ruhrgebiet, arbeitet für „Max“, den „Spiegel“, für „Emma“, „taz“ und Tagesspiegel.

Und sie schreibt Bücher, die alle Bestseller werden: 2005 erscheint „Einmal Hans mit scharfer Sauce“. 2008 folgt „Ali zum Dessert“, im September dieses Jahres schließlich „Ich küss’ Dich, Kismet – eine Deutsche am Bosporus“. Meistens geht es dabei um die Liebe, um den Traummann, der im Idealfall eine Mischung aus beiden angenommenen Nationaltemperamenten ist. Und weil es die nicht gibt, verliebt sie sich prompt immer dann, wenn sie nicht damit rechnet.

Das jüngste Buch ist auch die Geschichte einer Suche nach dem Selbst, wenn sie in Istanbul nicht versteht, was um sie vorgeht, und genervt ruft: „Hilfe, ich bin Deutsche, klärt mich hier auf!“ Dass sie jetzt mit einem Sonderpreis für Toleranz und Integration geehrt wurde, ist das ein Zeichen dafür, dass die Jury gut hingeschaut hat, denn Hatice Akyün lebt beides, Toleranz und Integration, und sie wirbt bei ihren „bio“-deutschen Freunden und den Tagesspiegel-Lesern genau dafür.

Hatice Akyün liest am 25.November und am 9.Dezember zum Afternoon Tea im Hotel de Rome, Behrenstraße 3, Mitte, Beginn 16 Uhr. Tea Time und Lesung kosten 34 Euro. Anmeldung unter: 460 609 1260, Kennwort: Tagesspiegel.

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