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Berlin: Haue vom Staatsanwalt

Berlins oberster Ankläger plädiert für den „Klaps“ als Erziehungsmittel. Darf er das? Ein Pro & Contra

In Deutschland ist noch nicht lange selbstverständlich, dass Kinder ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung haben. Erst vor fünf Jahren wurde dieser Anspruch im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben. Und nach einer Umfrage des Bundesfamilienministeriums befürworten inzwischen rund 90 Prozent, dass Erziehung gewaltfrei sein sollte. Das bedeutet allerdings nicht, dass in Deutschlands Familien nicht mehr geschlagen wird. Vor allem den „Klaps auf den Po“ sehen nach Ansicht von Kinderschutzorganisationen noch zu viele Eltern auch weiterhin als ein Mittel der Erziehung.

Erst Anfang dieser Woche war Berlins Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge bei einer Podiumsdiskussion mit einer ähnlichen Auffassung aufgefallen. Er lasse sich bei der Kindererziehung „einen Klaps“ nicht verbieten, hatte Karge gesagt. Für den obersten Strafverfolger hat diese Äußerung Konsequenzen. Die Berliner Grünen haben ihn wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) nennt die Äußerungen „nicht tolerabel“ und fordert von Karge einen Bericht.

„Es gibt kein Recht auf einen Klaps“, sagt auch Michael Kruse, Sprecher des Deutschen Kinderhilfswerks. „Auch ein Klaps schadet Kindern nicht nur körperlich, sondern auch physisch.“ Kein Erwachsener habe irgendein Recht, ein Kind zu schlagen. „Das ist ein Skandal, wenn ein Gesetzesvertreter solch eine Auffassung verbreitet“, sagte Sabine Walther, Geschäftsführerin des Berliner Kinderschutzbundes. Die Einführung des Gesetzes sei ein großer Erfolg für die Kinderrechte gewesen.

Bis dahin war es ein langer Weg. Noch in den siebziger Jahren galten Züchtigungen als „gutes Elternrecht“. Erst im nächsten Jahrzehnt wurde zwar der Begriff „elterliche Gewalt“ durch „elterliche Sorge“ ersetzt und „entwürdigende Erziehungsmaßnahmen“ verboten, „die gelegentliche wohlverdiente Tracht Prügel“, wie es in Gerichtsurteilen damals beispielsweise hieß, blieb aber erlaubt. Bis in die neunziger Jahre durften Eltern ihre Kinder schlagen, wenn es erzieherisch begründet und die Züchtigung „nicht unverhältnismäßig“ war.

Nach Ansicht von Experten schützt das Gewaltverbot nicht nur die Kinder vor ihren Eltern, sondern auch die Gesellschaft: Kinder, die Opfer von Gewalt werden, neigen später selbst zu Gewalttätigkeit. Diesen Zusammenhang gebe es eindeutig, sagt Kinderschutzbund-Geschäftsführerin Walther: „Insofern stützt eine gewaltfreie Erziehung die Demokratiefähigkeit in Deutschland.“ Sigrid Kneist

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