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Herbstlaub liegt im trüben und verregneten Wetter vor dem Terminalgebäude des Hauptstadflughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER).

© dpa

Hauptstadtflughafen für Berlin: Am BER gibt's wieder Krach um den Lärmschutz

Der Streit um den fehlende Schallschutz am BER spitzt sich erneut zu. Dem „Airport Dialogforum“ der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg droht der Bruch mit den Gemeinden.

Noch keine Flugzeuge, aber weiter Krach am BER: Um den fehlenden Schallschutz am künftigen Hauptstadtflughafen in Schönefeld, ohne den der BER nicht eröffnen darf, spitzt sich der Streit erneut zu. Jetzt droht sogar im „Airport Dialogforum“ der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) mit allen brandenburgischen Umlandgemeinden und den angrenzenden Berliner Stadtbezirken ein Bruch.

Für Flughafenchef Karsten Mühlenfeld wäre das ein herber Rückschlag. Doch wenn das Gremium am Montag hinter verschlossenen Türen in Schönefeld tagt, sind zunehmende Beschwerden über eine zu rigide Bewilligungspraxis der FBB der wohl wichtigste Tagesordnungspunkt.

Das Verhältnis zu den Nachbarn ist gestört. So bleibt Ortwin Baier, SPD-Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow, der künftig am meisten von BER-Fluglärmbetroffenen Kommune, der Sitzung demonstrativ fern. Und Rainer Hölmer, der Berliner SPD-Baustadtrat von Treptow-Köpenick drohte gegenüber dem RBB in den letzten Tagen offen mit dem Ausstieg aus dem Dialogforum.

Außerdem drohen dem Flughafen gleich vier neue Schallschutz-Klagen des Verbandes der Grundstücksnutzer (VGN). Der Flughafen wiederum kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. „Es gibt keine rigidere Praxis“, versicherte Sprecher Ralf Kunkel am Sonntag.

Die Probleme sind verschieden

In den Gemeinden um den unvollendeten neuen Berliner Flughafen kehrt drei Jahre nach der geplatzten BER-Eröffnung keine Ruhe ein. Zwar hat der Flughafen bei den Schallschutz-Bewilligungen inzwischen aufgeholt, haben inzwischen nach FBB-Angaben 73 Prozent der berechtigten rund 11 400 Anrainer-Haushalte  ihre Bescheide, die so genannten „Anspruchsermittlungen“ (ASE), die ihnen die Erstattung der Kosten für Schallschutzfenster und Dämmlüfter garantieren.

Wenn sie unterschrieben werden, könnten die Firmen mit dem Einbau beauftragt werden, theoretisch. Dennoch häufen sich mit dem höheren Tempo nun  Beschwerden über Fehler, Ungerechtigkeiten, Ablehnungen in den Bewilligungen. Bei Veranstaltungen zum Schallschutz, zu denen der Bürgerinitiativen und Verband der Grundstücknutzer (VGN) laden, sind die Säle voll. So wie letzte Woche in Mahlow, wo 240 Betroffene kamen.

Die Probleme sind verschieden, eins davon lässt etwa Treptow-Köpenick auf die Barrikaden gehen: Danach hat der Flughafen in offenbar mehrfach Schallschutz für niedrige Räume abgelehnt, die heute nicht genehmigt würden, und das, obwohl in diesen Fällen alte Baugenehmigungen vorliegen. „Es kann nicht sein, dass Flughafen sich aufspielt als wäre er die bessere Baubehörde“, sagt etwa Christine Dorn, Vorsitzende des Bürgervereins Berlin-Brandenburg. Das ist auch die Linie von Treptow-Köpenick.

Der Flughafen kann sich das nicht erklären. Die Linie sei klar so, dass für niedrige, genehmigte Räume auch Schallschutz gewährt wird, heißt es. Konkrete Fälle seien bislang nicht an den Flughafen herangetragen worden.

Geld für den BER-Schallschutz ist da

Auf der Tagesordnung des Dialogforums steht eine „Matrix“, einst von Brandenburgs Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) angestoßen, um sich wiederholende Problemgruppen beim Schallschutz zu identifizieren – und Lösungen zu finden. Nach den internen Vorbereitungsunterlagen, die dieser Zeitung vorliegen, hat die Flughafengesellschaft inzwischen bei einigen Problemen nachgegeben – bei anderen nicht.

Geld für den BER-Schallschutz ist genug da. In den FBB-Etats sind inzwischen rund 700 Millionen Euro dafür reserviert, nachdem der jahrelange Betrug an den Anwohnern durch die Firma der Länder Berlin, Brandenburg und des Bundes 2013 aufgeflogen und vom Oberverwaltungsgericht (OVG) gestoppt worden war.

In den Jahren vorher, vom Beginn des Schallschutzprogramms der Berliner Flughäfen für den BER 2008 hatte die FBB nur Billig-Schallschutzmaßnahmen bewilligt - für ein Sechstel des gesetzlich vorgeschriebenen Standards. Diese Vorgeschichte erklärt das immer noch anhaltende Misstrauen von Anwohnern gegen den Flughafen und Brandenburgs Behörden.

Dialogforum soll mit den Anrainern nicht zerbrechen

Erst letzten Freitag hatte FBB-Chefjurist Gottfried Egger im BER-Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses eine Bombe platzen lassen. Wer dort falsch aussagt, riskiert ein Strafverfahren. Als Zeuge sagte Egger dort aus, dass es 2008 sogar eine „mündliche Absprache“ zwischen dem Flughafen und dem brandenburgischen Infrastrukturministerium über die Billig-Praxis beim Schallschutz gab, bei der nach dem OVG-Urteil von 2013 „systematisch“ gegen den Planfeststellungsbeschluss verstoßen wurde.

Wie sich jetzt herausstellt, mit Duldung brandenburgischer Behörden. „Wir setzen strikt den Planfeststellungsbeschluss und das OVG-Urteil vom April 2013 um“, sagt Kunkel zur aktuellen Praxis. Der Flughafen setzt auch darauf, dass das Dialogforum mit den Anrainern nicht zerbricht. Es sei das „geeignete Gremium“, um Probleme zu klären, so Kunkel. „Die FBB ist in Sachen Schallschutz stets gesprächs- und kompromissbereit.“ So plane man jetzt, beim Schallschutz geht es immer um Details, die Einführung freiwilliger Schallschutz-Leistungen auch für Küchen, deren Nutzung als Wohnküchen nicht nachgewiesen ist, die aber zum Essen genutzt werden.

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