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Will nach vorne schauen anstatt an Altlasten zu tragen: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

© Axel Schmidt/REUTERS

Hauptstadtlage: CDU und SPD wollen sich absetzen

Die Reformversuche der Volksparteien, das Bierzelt-Niveau in der Verkehrspolitik und die Krise der EU - das lesen Sie in unserem Nachrichtenüberblick.

Von Robert Birnbaum

Unsere regierenden Volksparteien haben mehr gemeinsam, als sie selber glauben. Dass CDU und SPD exakt zeitgleich versuchen, alte Wunden zu heilen, mag noch Zufall sein. Aber beide greifen auch zur gleichen Behandlungsmethode: Praktische Abhilfe statt ewiger Selbstgesprächstherapie. SPD-Chefin Andrea Nahles will mit lauter sozialpolitischen Pflastern verhindern, dass die Hartz-IV-Verletzungen immer neu aufbrechen.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer will die Brüche und Schrammen, die die Flüchtlingskrise in ihrer Partei hinterlassen hat, ebenfalls mit einem gut gefüllten Verbandskasten lindern. Viele der Therapievorschläge sind altbekannt, andere erinnern an die Wunderkuren des Doktor Eisenbarth – teuer oder schwer umsetzbar oder von zweifelhafter Wirkung oder alles zusammen. Aber auch Politiker und Ärzte haben etwas gemeinsam: In der Heilkunst wie im Kampf um Wählerstimmen reicht oft schon der Placebo-Effekt.

AKK will sich absetzen

Für den Moment können beide Parteichefinnen mit dem Ergebnis ihrer Operationen zufrieden sein. Nahles bekommt Lob selbst von notorischen Quenglern wie Juso-Chef Kevin Kühnert, und die alte Niedersachsen-Mafia aus dem Dunstkreis Gerhard Schröders hält zumindest mal kurz den Mund. Kramp-Karrenbauer wiederum hat das Kunststück bewältigt, sich von der Kanzlerin der frühen Willkommenskultur abzusetzen, ohne ein böses Wort über Angela Merkel zu verlieren. Stattdessen durften thesenstarke Professoren zum Auftakt des „Werkstattgesprächs“ die Parteizentrale als Podium für kritische Sätze nutzen, die dort bisher als Majestätsbeleidigung galten. „Das Medium ist die Botschaft“, lautet ein viel zitierter Ausspruch des Philosophen Marshall McLuhan. Für CDU-Verhältnisse abgewandelt: Das „Werkstattgespräch“ ist die Absetzbewegung.

Zukunftskommission kritisiert Scheuer

Bundesverkehrsminister sind die reichsten armen Tröpfe der Regierung. Kein anderes Ressort hat so viel Geld zu verteilen; der Sozialetat ist zwar größer, aber praktisch komplett gesetzlich verplant. Zugleich wird kein anderer Minister so oft verflucht. Jedes Schlagloch, jedes Funkloch, jeder Zugausfall der Deutschen Staatsbahn – natürlich, der Andi Scheuer schon wieder! Das ist oft ungerecht, weil es in den meisten Fällen bereits der Alexander Dobrindt war oder der Peter Ramsauer oder sogar der Wolfgang Tiefensee von der SPD. Doch wenn seine eigene Kommission zur Zukunft der Mobilität sich bei meinem Kollegen Jens Tartler beschwert, der CSU-Mann wolle die hochkarätige Expertengruppe auf Passauer Bierzelt-Niveau trimmen, dann muss man das wohl ernster nehmen.

Sicherheitskonferenz: Relevanzverlust der EU

Briten und andere Angelsachsen, die das Schicksal zwingt, die deutsche Sprache zu erlernen, können sich gar nicht genug ömmeln über unsere Neigung zum Kettensubstantiv. Statt die Hauptwörter schön brav hintereinander aufmarschieren zu lassen, wie man es von Preußen doch eigentlich erwarten sollte, stopfen diese komischen Deutschen sie in einen Bandwurm hinein. Der britische Historiker Timothy Garton Ash hat das gestern zu pädagogischen Zwecken auf die Spitze getrieben. Europa brauche endlich eine „Weltpolitikfähigkeitsverlustvermeidungsstrategie“, forderte der Oxford-Professor bei der Vorstellung des „Munich Security Report 2019“ zur Münchner Sicherheitskonferenz. Hinter dem Witz steckte eine ernste Warnung: Wenn die Europäer es nicht schafften, den Kontinent mitsamt seiner Heimat trotz Brexit zusammen zu halten, werde ihr Einfluss auf das Weltgeschehen drastisch sinken.

Die Hauptstadtlage von Maria Fiedler und ihrem Team ist Teil der Tagesspiegel-Morgenlage, dem Nachrichtenüberblick für Politik-Entscheider. Kostenfrei anmelden kann man sich hier.

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