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Berlin: Haus der Adelsherren, Revolutionäre und Landesfürsten

Das Preußische Herrenhaus wird hundert Jahre alt. Der heutige Sitz des Bundesrates spiegelt die Wechselfälle der deutschen Geschichte wider

Gestern Abend wurde in der Leipziger Straße 3-4 Geburtstag gefeiert: Der heutige Sitz des Bundesrates, das ehemalige Preußische Herrenhaus, ist 100 Jahre alt. Werner Knopp, der ehemalige Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, beschrieb in seinem Festvortrag die politische und architektonische Geschichte der markanten, dreiflügeligen spätbarocken Palastanlage: Was für eine spannende Story!

Die Herren, die sich vor genau einhundert Jahren in den hohen, repräsentativen Räumen „ihres“ Hauses trafen, um das Werk des Architekten Friedrich Schulze zum ersten Male zu begutachten, waren allesamt gut betuchte, honorige Menschen, die die Ehre hatten, im preußischen „Oberhaus“, der Ersten Kammer des Preußischen Landtages, zu sitzen: Mitglieder des Adels und vom König berufene Bürger. 1917 gehörte auch das Kölner Stadtoberhaupt Konrad Adenauer dazu. Ein Reporter schilderte einmal die Atmosphäre im Herrenhaus so: „Jeder zweite Mensch ist hier mindestens ein Geheimrat und jeder vierte eine Exzellenz, und wenn man eine Gruppe älterer Herren von blühendem Aussehen in heiterer Unterhaltung spazieren gehen sieht, dann sind es gewöhnlich einige ehemalige Minister, die aus Gesundheitsrücksichten ihren Abschied genommen haben. Warum wohl mögen aktive Minister immer so ernst und die Minister a.D. immer so vergnügt dreinschauen? Ja, es weht eine bureaukratische, vornehme, offizielle Luft in diesem Parlaments- und Ministerviertel.“

Das war an diesem Orte nicht immer so. Dem Herrenhaus ging ein Adelspalais aus dem 18. Jahrhundert sowie ein 1871 auf dem einstigen Gelände der Königlichen Porzellanmanufaktur errichtetes provisorisches Gebäude für den Deutschen Reichstag voraus. In dem Palais soll übrigens Felix Mendelssohn Bartholdy seine Musik zum „Sommernachtstraum“ komponiert haben.

In den Tagen der Novemberrevolution von 1918 tagte zwischen dem 16. und 21. Dezember im Herrenhaus die Reichsversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte, die dort den Beschluss fasste, die Wahlen für die (später aus Sicherheitsgründen in Weimar tagende) neue Nationalversammlung am 19. Januar 1919 abzuhalten. Von 1921 bis 1933 hatte hier der Preußische Staatsrat – die Vertretung der Provinzen – mit dem Präsidenten Konrad Adenauer seinen Sitz. Die Nazis okkupierten gewissermaßen das Haus für den damaligen Ministerpräsidenten Hermann Göring, es wurde als „Preußenhaus“ dem Reichsluftfahrtministerium angegliedert, während der benachbarte Landtag, das heutige Berliner Parlamentsgebäude, zum „Haus der Flieger“ wurde.

Der Krieg hinterließ auch hier seine Trümmerlandschaft, das Herrenhaus konnte immerhin von der Akademie der Wissenschaften der DDR genutzt werden, es lag am Ende der direkt zur Grenze führenden Leipziger Straße, fast schon im Niemandsland. Der prachtvolle Ehrenhof war durch eine Mauer unansehnlich geworden. Mauerfall und Hauptstadtbeschluss brachten dem hundertjährigen Haus neuen Segen: Schön wie nie zuvor (Umbau: fast 200 Millionen Mark!) beherbergt es seit dem 29. September 2000 den Bundesrat. Der tagt zwölfmal jährlich, immer freitags.

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