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Blick vom Balkon. Ein unbekannter Fotograf machte 1943 dieses Bild von einer Deportation in Amsterdam.

© privat

Haus der Wannsee-Konferenz sucht Bilder: Wer hat Juden-Deportationen in Berlin heimlich fotografiert?

Mehr als 50.000 Juden wurden aus Berlin verschleppt, doch davon sind keine Bildaufnahmen bekannt. Das Haus der Wannsee-Konferenz bittet Berliner um Hilfe.

Die Aufnahme wirkt, als habe der Fotograf im Verborgenen bleiben wollen: von erhöhtem Ort, wahrscheinlich aus einem Fenster aufgenommen, im unteren Teil schemenhaft ein paar Grünpflanzen, was durch leichtes Vorbeugen zu vermeiden gewesen wäre. Aber dann wäre der Fotograf vielleicht entdeckt, seine Kamera mitsamt Film konfisziert worden, oder man hätte ihm gleich selbst befohlen, sich dem Zug der Menschen unten auf der Straße anzuschließen.

Es sind Menschen mit Koffern und anderem Gepäck, die in lockerer Ordnung durch eine von Bäumen beschattete Straße gehen, flankiert von Uniformierten, während einige Passanten stehen bleiben und sich das Schauspiel ansehen.

Ein trauriges, denn die bepackten Menschen begeben sich nicht freiwillig, sondern unter Zwang auf den Weg – der viele von ihnen in den Tod führt.

Es ist das von einem Unbekannten aufgenommene Foto einer Deportation im Juni 1943 – ein im damaligen, vom NS-Regime okkupierten Europa häufiges und oft auch fotografiertes Bild. Es entstand in Amsterdam, könnte aber auch aus Berlin stammen.

Doch gerade aus Berlin, anders als aus Brandenburg, Würzburg, Warschau oder Amsterdam, sind keine vergleichbaren Fotos bekannt, obwohl aus der Reichshauptstadt mehr als 50.000 jüdische Berlinerinnen und Berliner verschleppt und ermordet wurden, in über 180 Deportationszügen, der letzte verließ kurz vor Kriegsende im März 1945 die Stadt.

„Wir kennen nur Berichte, keine Bilder“, beklagt man im Haus der Wannsee-Konferenz.

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Die Gedenk- und Bildungsstätte bittet daher Berlinerinnen und Berliner, zu Hause in Fotoalben und -sammlungen zu schauen, ob es dort vielleicht (auch unscharfe) Fotos von Gruppen – meist älterer – Menschen gibt, die mehr oder weniger deutlich von Uniformierten bewacht die Straße hinuntergehen oder die auf Lastwagen oder in Straßenbahnen verladen werden. Die vielleicht mit Gepäckstücken vor einem Gebäude, an einer Straßenbahnhaltestelle, an Güterbahnhöfen oder vor Waggons stehen.

Solche Fotos füllten Leerstellen und seien für die pädagogische Arbeit von unschätzbarem Wert, heißt es in einem Aufruf der Gedenkstätte. Sie bittet darum, selbst bei Unsicherheit über das Motiv die Aufnahmen zu fotografieren und an die Mailadresse sammelaufruf@ghwk.de zu senden.

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