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Berlin: Haus des Lehrers: Kooperation macht erfolgreich

Während es auf der einen Fensterfront noch beunruhigend dunkel ist, scheint auf der anderen schon wieder die Sonne. Auf dem Alexanderplatz spielen Streetballer im Nieselregen.

Während es auf der einen Fensterfront noch beunruhigend dunkel ist, scheint auf der anderen schon wieder die Sonne. Auf dem Alexanderplatz spielen Streetballer im Nieselregen. "Das sind die ganz Harten", sagt Videokünstler Peter Sandhaus. "Manchmal kommen wir morgens um fünf aus unseren Büros. Und die spielen immer noch." Sandhaus gehört zu den Unternehmern im Haus des Lehrers, die sich selbstbewusst als "die neue Mietergeneration" bezeichnen - junge Architekten, Multimedia-Spezialisten und andere Kreativberufler. Im Sommer vergangenen Jahres zogen sie in das ehemals erste Hochhaus am Alexanderplatz und richteten sich in dem schäbigen Schick der 60er Jahre ihre Büros ein. Inzwischen ist unter ihnen eine Gemeinschaft gewachsen, die sich stark mit dem Haus und seinem Geist verbunden fühlt.

"Hier hat sich etwas entwickelt, was sich an keinem anderen Ort der Welt hätte entstehen können", sagt Multimedia-Produzent Sven Lochmann. Gemeint ist ein Netzwerk, in dem ein Zimmernachbar vom Wissen und den Kontakten des anderen profitiert. Die neuen Mieter kooperieren miteinander, sie verschaffen sich gegenseitig Nachfolgeaufträge - und sie identifizieren sich mit dem Haus. "Architektur und Struktur des Gebäudes haben unsere Gemeinschaft initiiert", sagt Lochmann. Tatsächlich befördern die von Hermann Henselmann Anfang der 60er Jahre entworfenen Grundrisse die Kommunikation und die Branchen übergreifende Zusammenarbeit. Weil die Büros vergleichsweise klein, die Flure aber extrem großzügig geschnitten sind, treffen sich die Mieter vor der Bürotür zum Gespräch. Sie nutzen den Korridor als Beratungs- und Kommunikationsfläche und das eigene Zimmer als Denkzelle.

Der Austausch über die Grenzen der Branchen hinweg ist fruchtbar. Die AOK, MacDonalds oder das Jüdische Museum vergaben inzwischen Aufträge an die jungen Firmen. Allerdings könnte es mit der Hausgemeinschaft demnächst vorbei sein. Bis Ende des Jahres wollen die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) und das Haus am Köllnischen Park die Immobilie mitsamt der benachbarten Kongresshalle erwerben. Zwei Jahr später soll der Vorzeigebau der DDR-Moderne vollständig saniert sein. Seine jetzigen Nutzer befürchten, dass von dem Henselmannhaus dann nur noch die aufgehübschte 60er Jahre Fassade übrig bleibt, die Raumkonzeption aber zerstört ist. Werden die bisherigen Sanierungspläne realisiert, ist "die innere Struktur des Hauses obsolet", sagt Sandhaus. Der Geist des Hauses - die Experimentierfreude und Fortschrittsgläubigkeit der 60er - wäre zerstört.

Die künftigen Hausherren halten die von den Mietern geschätzte Innenarchitektur für unwirtschaftlich - zu wenig vermietbare Nutzfläche, rechneten sie aus. Die vermeintlichen Platzverschwender - breite Korridore und ein doppeltes Treppenhaus - sollen deshalb bei der Sanierung geopfert, das Haus nach Standardmaßen umgebaut werden. "Wir entwickeln mit Respekt vor dem, was ist", sagte WBM-Geschäftsführer Karl-Heinz Schmidt kürzlich beim Tag der offenen Türen. Doch die Nutzer bezweifeln das. Die bisherigen Pläne "ignorieren, was sich vor Ort entwickelt hat", kritisiert Sandhaus. Der Ex-Architekt ist sich sicher, dass das Haus auch bei bestehender Raumaufteilung wirtschaftlich vermietet werden kann. "Nutzfläche ist doch lediglich eine Frage der Definition", sagt er.

Würden die bereits bestehenden Etagen-Gemeinschaften ganze Stockwerke mieten, könnten die Investoren auch die Korridore in ihre Mieteinnahmen einrechnen. Bislang nämlich werden die Flure nicht auf Nutzer umgelegt. "Es lässt sich wirtschaftlich lösen", bestätigt auch Lochmann. Nachfrage gebe es genug: "Wir haben an jeder Hand fünf weitere Interessenten." 20 der rund 60 Mietparteien haben sich inzwischen zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. Bei einem Tag der offenen Türen versuchte dieser Verbund, den künftigen Investoren die Augen für das Gebäude zu öffnen. Ohne Erfolg, vermutet Lochmann. "Die Zusammenarbeit lässt noch zu wünschen übrig", kritisiert der Multimedia-Mann.

Nachdem die IG bereits Gespräche und Zusammenarbeit angeboten hat, wartet sie jetzt auf weitere Reaktionen der potenziellen Investoren. Für Lochmann ist allerdings schon jetzt klar: Wird aus dem Haus des Lehrers ein Standard-Bürohaus, kehrt er nach der Sanierung nicht an den Alexanderplatz zurück.

Frauke Herweg

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