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Berlin: Heilsamer Druck

SPD-Fraktionschef Müller will Zuwanderer mehr fordernundihre Firmen besser fördern

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller hat anläßlich des heutigen Berliner Integrationstages den Senat aufgefordert, bis zum Frühjahr 2005 ein Konzept zur Integration der Zuwanderer in Berlin vorzulegen, „das nicht nur einseitig auf die Sozialpolitik ausgerichtet ist“. Die Bildungs- und Arbeitsmarkt-, Innen- und Stadtentwicklungspolitiker müssten an einem Strang ziehen. Das habe bisher nicht funktioniert, kritisierte Müller im Gespräch mit dem Tagesspiegel. In Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen gebe es schon solche Förderprogramme.

So sei es überaus wichtig, das Wirtschaftsleben „in den Straßen und Kiezen, wo fast nur türkische und arabische Firmenschilder zu finden sind, gezielt zu unterstützen“. Allein die Türken führten in Berlin 5500 Unternehmen mit 27 000 Beschäftigten und 2,2 Milliarden Euro Umsatz, sagte Müller. Trotzdem seien über ein Drittel der Migranten arbeitslos. „Dazu tragen sprachliche und kulturelle Barrieren entscheidend bei.“ Die Senatswirtschaftsverwaltung, die Kammern und die Arbeitsagenturen müssten sich mehr einfallen lassen und mehr Mitarbeiter für diese besondere Zielgruppe schulen und einsetzen. Auch die Hartz-Reformen könnten dafür genutzt werden. Außerdem solle der öffentliche Dienst mehr Menschen einstellen, die nichtdeutscher Herkunft und mehrsprachig seien.

Gut deutsch zu sprechen, ist nach Meinung des SPD-Politikers eine Grundvoraussetzung für die Integration. Der neue Spracheingangs-Test vor der Einschulung, der im November beginne, sei ein erster Schritt. Der Test müsse aber konsequent angewandt werden, um einen „heilsamen Druck“ aufzubauen. „Wenn es nicht reicht für den Schulbesuch, merken die Eltern vielleicht, dass es für ihre Kinder gut wäre, sie wenigstens im letzten Jahr vor der Schule in die Kita zu schicken.“ Müller hält es auch für notwendig, das Angebot „Deutsch als Zweitsprache“ in allen Grundschulklassen anzubieten.

Der SPD-Chef will außerdem eine neue Initiative starten, um an den Schulen „ein verpflichtendes Angebot für den bisherigen Religionsunterricht“ einzuführen. „Das sollte 2005 erreichbar sein.“ Schulen und Eltern, Parteien und Migrantenorganisationen seien inzwischen dafür, neuen Schwung in die Debatte zu bringen. „Es ist mir egal, ob das neue Fach Religionskunde, Ethik, Philosophie oder wie auch immer heißt“, so Müller. Aber es müsse für alle gelten, auch für Muslime. „Die Wertevermittlung ist für alle Kinder wichtig – gleich welcher Herkunft.“ Manche Viertel funktionierten nicht mehr, „weil die Grundregeln des Zusammenlebens nicht mehr eingehalten werden.“

Der SPD-Chef kündigte einen Parlamentsantrag der Koalition an, in dem der Senat aufgefordert wird, einen „Arbeitskreis Islam und Schule“ einzurichten. Vertreter der Verwaltung, der Universitäten und der Religionsgemeinschaften sollen gemeinsam „praktikable Lösungswege“ für alltägliche Konflikte finden: Wie kann es beispielsweise gelingen, dass muslimische Mädchen wieder am Schwimm- und Sportunterricht, an der Sexualerziehung und an Klassenfahrten teilnehmen? Auch das Frauenbild dieser Mädchen und deren Kontrolle durch die Familie soll im Arbeitskreis diskutiert werden. Zusätzlich soll der Senat eine Antidiskriminierungsstelle für Migranten einrichten.

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