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Berlin: Heimatgeschichte in der Enge

Der Förderverein des Stadtmuseums feiert seinen 50. Jahrestag und ringt weiter um einen Erweiterungsbau.

Wenn der Verein der Freunde und Förderer des Stadtmuseums an diesem Dienstag sein 50-jähriges Bestehen begeht, dann kann er sich eine erfolgreiche Tätigkeit zugunsten dieses stadthistorischen Museumskomplexes bescheinigen – übrigens des größten seiner Art in Deutschland. Aber er wird auch zurück auf seine eigene, gewundene Geschichte blicken. In ihr spiegelt sich das Schicksal der Stadt, der geteilten und der wieder zusammenwachsenen.

Das beginnt schon mit der Gründung. Während es üblicherweise erst das Museum gibt und dann den Förderverein, war es hier umgekehrt: Als der Verein am 22. November 1962 das Licht der Welt erblickte, gab es noch kein Museum, das er hätte fördern können. Der Verein musste das Museum erst gründen, das er zu fördern beabsichtigte. Denn nach dem Mauerbau lag das angestammte historische Museum der Stadt, das Märkische Museum, im Osten, unerreichbar für die West-Berliner. So stand ziemlich am Anfang des Vereins ein Satz von Edwin Redslob im Tagesspiegel: „West-Berlin hat kein Berlin-Museum! Was das kleinste Städtchen in Deutschland zu bieten vermag, die optische Darstellung seiner Geschichte“, so Redslob ein knappes Jahr nach dem Mauerbau, „fehlt ausgerechnet der Stadt, deren Existenzkampf die Welt bewegt“. Der Mitbegründer dieser Zeitung und FU-Rektor, der ein genuiner Museumsmann war, wurde auch noch zum Gründer von Verein und Museum, dem Berlin-Museum, zugleich erster Vereinsvorsitzender und erster Direktor. Wie das Märkische Museum bald 90 Jahre früher war es eine Gründung aus bürgerschaftlichem Geist. Auch damit setzte sich West-Berlin gegen die Teilung der Stadt zur Wehr.

Es gehört zu dieser Geschichte, dass sie trotzdem nicht glatt verlief. Im Rückblick schwer verständliche Skrupel meldeten sich: Würde eine eigene Darstellung der Stadtgeschichte die Teilung nicht vertiefen? Würde sie nicht den Heimatmuseen in den West-Bezirken das Wasser abgraben? Das erlösende Wort kam von Günter Matthes, dem damaligen Tagesspiegel-Lokalchef: Ein stadtgeschichtliches Museum „wäre keine Konkurrenz für das irgendwann auch für uns wieder erreichbare Märkische Museum, sondern eine wertvolle, ja, notwendige Ergänzung“. Doch seine Einpflanzung in die Museumslandschaft der Stadt brauchte ihre Zeit. Ein eigenes Haus, das barocke Kollegienhaus in der Lindenstraße, bekam es 1968. Drei Jahre später, 1971, rang sich der Senat durch, das Museum zur Landeseinrichtung zu machen.

In den folgenden Jahrzehnten gewann das Berlin-Museum seinen festen Platz in der West-Stadt. Doch es waren ironischerweise positive Entwicklungen, ja, die Sternstunden seiner Geschichte, die an ihm rüttelten. Denn es war ja die mit tiefer Überzeugung verfolgte Absicht, dem jüdischen Anteil an der Berliner Geschichte einen wichtigen Platz einzuräumen, die zu dem grandiosen Libeskind-Bau führte. Aus dem Erweiterungsbau des Museums, der er ursprünglich sein sollte, wurde das heutige Jüdische Museum im erweiterten Kollegienhaus – und ein Berlin-Museum, das sein Stammquartier verloren hatte.

So landete das Berlin-Museum im Märkischen Museum, das seit 1995 das Stadtmuseum Berlin bildet. Nur: Den dringend benötigten Erweiterungsbau hat es noch immer nicht. Zuletzt war es das Projekt des Umbaus des sogenannten Marinehauses gegenüber dem Märkischen Museum, das nach mehrjähriger Vorarbeit im Sommer 2011 abrupt versenkt wurde.

Das „großstädtische Heimatmuseum“, das Redslob bei Gründung des Fördervereins vorschwebte, ist weiterhin Zukunftsmusik – und dem Stadtmuseum bleibt unter den Berliner Museen die fatale Rolle jenes Letzten, den die Hunde beißen. Unter das Motto „50 Jahre Bekenntnis zu Berlin“ setzt der Verein mutig seine Jubiläumsveranstaltung am heutigen Dienstag in der Nikolaikirche. Aber not täte vor allem ein Bekenntnis Berlins zu seinem Stadtmuseum. Hermann Rudolph

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