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Heinersdorf: Erster Moscheebau in Ost-Berlin erhitzt die Gemüter

Böse Anrufe und hässliche E-Mails hat Jens-Holger Kirchner erhalten. "Die Moschee wird brennen", drohte dem Vorsteher des Bezirksparlaments von Berlin-Pankow einer der anonymen Anrufer.

Berlin - Seit Wochen tobt in dem Stadtbezirk im Ostteil Berlins ein einseitiger Kulturkampf. Seit Pläne der Ahmadiyya Muslim Gemeinde bekannt wurden, im Ortsteil Heinersdorf eine Moschee mit einem zwölf Meter hohen Minarett zu bauen, ist die Welt für viele Anwohner nicht mehr in Ordnung. Sie wollen den Bau - es wäre der erste Neubau einer Moschee im Ostteil der Hauptstadt - verhindern.

Vor drei Wochen hat Kirchner eine Informationsveranstaltung zu den Bauplänen abbrechen müssen. Rund 500 Heinersdorfer drängten sich in der örtlichen Turnhalle, weitere 1.000 verlangten vor der Tür Einlass. «Wir sind das Volk», schallten Sprechchöre. Zu einer Diskussion kam es nicht, stattdessen zu Tumulten. Die Polizei riet zum sofortigen Abbruch der Bürgerversammlung. «Wenn einer von der Autobahn kommt und sieht als erstes eine Moschee, der denkt doch, er hat sich verfahren», ließ einer der Protestierenden Dampf ab.

Berlin: 120 Moscheen und Gebetsräume

Rund 210.000 Muslime sind in der Hauptstadt gemeldet, zumeist leben sie im alten West-Berlin. Gut 120 Moscheen und Gebetsräume verteilen sich hier über die Bezirke. In der Regel liegen sie eher unauffällig in Hinterhöfen und in kleineren Gebäuden. Erst seit kurzem drängen selbstbewusst gewordene türkische Moschee-Gemeinden stärker an die Öffentlichkeit.

So ist neben dem mehr als 200 Jahre alten türkischen Friedhof am Berliner Columbiadamm eine Moschee im klassischen osmanischen Stil mit zwei schneeweißen Minaretten entstanden. Der Prachtbau soll Ende des Jahres geweiht werden. Auch am Görlitzer Bahnhof in Kreuzberg ziehen Bauarbeiter eine repräsentative Moschee hoch. Vier Minarette und eine Kuppel krönen die sechsgeschossige Fassade in einem lauten, quicklebendigen Stadtteil, in dem Muslime schon lange den Ton angeben. Die meisten von ihnen sind in Berlin geboren. Lange Diskussionen um den durch Spenden finanzierten Neubau gab es nicht.

In Heinersdorf am Stadtrand geht es im Alltag still zu. Ausländer sind selten einmal zu sehen. Teenager fahren lieber Richtung Zentrum, wenn sie mit Gleichaltrigen etwas erleben wollen. Fünf Jahre lang bot der Bund wie Sauerbier ein Grundstück im Heinersdorfer Gewerbegebiet an, ohne einen Käufer zu finden. Bis die Ahmadiyya Muslim Gemeinde kam. Bundesweit gehören der Ende des 19. Jahrhunderts in Indien gegründeten Religionsgemeinschaft etwa 50 000 Muslime an, in Berlin sind es gut 200. Die Berliner Gemeinde will aus dem Westbezirk Reinickendorf umziehen, weil ihr das Haus zu klein geworden ist. Zudem darf hier kein Minarett gebaut werden. Denn das Gebäude liegt in der Einflugschneise für den Flughafen Tegel.

"Wir sind friedliche Menschen"

Der Kaufvertrag für das Heinersdorfer Grundstück ist rechtskräftig. Vom Bezirksamt hat die Gemeinde einen positiven Bauvorbescheid erhalten. Von Baukosten in Höhe von einer Million Euro ist die Rede. Der Imam der Gemeinde, Abdul Basit Tariq, versteht den Hass nicht, der ihm entgegenschlägt. «Wir sind friedliche Menschen», sagt Tariq. Gegenteiliges ist Verfassungsschutzbehörden nicht zu Ohren gekommen. «Ich bin bereit, mit den Anwohnern zu sprechen, um Ängste vor uns abzubauen», sagt der Imam.

Doch in Heinersdorf wollen viele nichts mit Muslimen zu tun haben. Nicht wenige fürchten, dass es eines Tages Probleme mit der Ausländerintegration wie in Neukölln geben könnte. Sie fürchten Zustände wie an der Rütli-Hauptschule, deren Lehrer kürzlich um Hilfe riefen - mit schallendem Echo in ganz Deutschland.

Das Bezirksamt Pankow sieht sich in der Pflicht, die Ansprüche der Ahmadiyya Gemeinde zu verteidigen. Eine weitere Bürgerversammlung oder einen Runden Tisch will das Rathaus aber nicht riskieren. Nach Ostern soll zunächst ein Bürgerbrief mit aufklärendem Material über Muslime an die Heinersdorfer Haushalte verschickt werden. «Wir sind bereit zur Diskussion, aber nicht bereit, rassistische Drohungen hinzunehmen», sagt Kirchner. Das Amt will auch einen Katalog der am häufigsten gestellten Fragen beantworten. Kostprobe: «Beten Muslime wirklich fünf Mal am Tag?» oder «Stört das Minarett den Mobilfunk?».

Auch Tariq will nicht aufgeben. Entschlossen klingt seine Stimme aber nicht: «Ich bin etwas entmutigt - aber was soll man tun?» (Von Harald Rohde, dpa)

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