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Wie diese beiden afghanischen Mädchen, sind viele türkische Bräute minderjährig bei ihrer Heirat.

© dpa

Heirat für die Flucht: Kinderehen werden nicht anerkannt

Sind verheiratete Mädchen jünger als 16 Jahre alt, soll die Ehe nicht als Grundlage für ein Asylverfahren akzeptiert werden. Auch die Bundesregierung prüft, die Gesetze gegen Kinder-Ehen zu verschärfen.

Die Sozialverwaltung hat das Problem bislang nicht auf der Agenda: Kinderbräute. Nach einer statistischen Abfrage befanden sich unter den seit Januar 2015 registrierten 66.000 Flüchtlingen, die in Berlin aufgenommen wurden, 101 verheiratete Frauen, die noch minderjährig waren. „Drei Viertel von ihnen waren 17 bei der Registrierung“, sagte die Sprecherin der Sozialverwaltung, Monika Hebbinghaus. Ein Viertel war jünger.

Hebbinghaus geht davon aus, dass viele Frauen zusammen mit ihrem Ehepartner nach Deutschland gekommen sind. Sind sie unter 16, wird die Eheschließung nach Angaben der Jugendverwaltung nicht als Rechtsgrundlage für das Asylverfahren akzeptiert. Die jugendlichen Frauen werden von ihren Ehemännern getrennt und in der Clearingstelle der Jugendverwaltung betreut. Sie erhalten einen Vormund. Bei Frauen über 16 Jahren ist „nach geltendem Recht von einer grundsätzlich anerkennungsfähigen Eheschließung nach Herkunftsrecht auszugehen“, erklärte ein Sprecher der Jugendverwaltung. Allerdings sollen die Jugendämter die Betroffenen zu einer Beratung einladen, um zu klären, ob eine Zwangsverheiratung vorliegt.

Zahl der Kinder-Hochzeiten hat sich vervielfacht

Ob die Ehen rechtlich verbindlich geschlossen wurden oder nur von einem Geistlichen, sei schwer zu ermitteln, sagte Hebbinghaus. In der Regel hätten die Flüchtlinge keine Papiere. Nach Angaben der SOS-Kinderdörfer hat sich die Zahl der Kinder-Hochzeiten in den Herkunftsländern der Flüchtlinge vervielfacht. Vor dem Krieg seien in Syrien bei 13 Prozent aller Hochzeiten einer oder beide Ehepartner jünger als 18 Jahre gewesen. Nun seien es über 51 Prozent. Vor allen in Flüchtlingscamps in Jordanien, im Libanon, im Irak und der Türkei habe sich die Zahl der Zwangsehen erhöht.

Die Eltern handelten oft im Glauben, die Kinder in unsicheren Zeiten besser abzusichern – auch für die Flucht, sagt Alia Al-Dalli, die Leiterin der SOS-Kinderdörfer im Nahen Osten. Häufig werde auch eine Mitgift an die Eltern gezahlt, um eine Heiratserlaubnis zu erhalten. „Deshalb ist Armut leider ein häufiger Beweggrund für syrische Eltern, ihre Töchter zu verheiraten."

Bundesregierung prüft eine Gesetzesverschärfung

Mit Berufung auf Behörden hatte die „Bild“-Zeitung am Wochenende Zahlen aus Bayern und Baden-Württemberg präsentiert. So hätten die Behörden in Bayern bis Ende April 161 Fälle von verheirateten Asylbewerbern unter 16 Jahren und 550 Fälle von Verheirateten unter 18 Jahren registriert. In Baden-Württemberg seien 117 Fälle festgestellt worden.

Die Bundesregierung prüft, die Gesetze gegen Kinder-Ehen zu verschärfen. Besonders aus der CDU mehren sich die Stimmen, die Ehemündigkeit in Deutschland auf 18 Jahre zu erhöhen. Die Folgen einer Kinderehe sind laut SOS-Kinderdörfer verheerend. Die Mädchen brechen nicht nur häufig die Schule ab und werden sozial isoliert, sondern auch oft Opfer von häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch durch die meist wesentlich älteren Ehemänner.

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