zum Hauptinhalt
Hier üben ehrenamtliche Sanitätshelfer der Johanniter die Behandlung nach einem Unfall. Jetzt haben sie Zwangspause.

© K. Delmenhorst

Helfer rufen nach Unterstützung: Berliner Hilfsorganisationen geraten wegen Corona in Not

Veranstaltungen, Erste-Hilfe-Ausbildungen, Schwimmkurse – alles abgesagt. Für Berliner Hilfsorganisationen bedeutet das Einbußen in Millionenhöhe.

Die Berliner Hilfsorganisationen sind als Helfer in der Krise stets zur Stelle. Doch in der Coronakrise geraten sie selbst in Not. Da weder Sanitätsdienste bei Großveranstaltungen wie Konzerten und Berlin-Marathon, noch Erste-Hilfe-Kurse für den Führerschein oder Betriebshelferkurse für Firmen sowie Schwimmkurse angeboten werden können, fallen Einnahmen in Millionenhöhe weg.

Zudem ist Personal in Kurzarbeit und durch die Einnahmeverluste sind Projekte gefährdet, die sonst aus Eigenmitteln finanziert wurden. Die Johanniter-Unfall-Hilfe, das Deutsche Rote Kreuz, der Malteser Hilfsdienst, der Arbeiter-Samariter-Bund und die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft bitten daher die Landespolitik, einen „Härtefallfonds“ einzurichten, wie er in Niedersachsen bereits diskutiert wird.

Das größte Loch in die Kasse reißen die ausfallenden Sanitätsdienste. Die Berliner Hilfsorganisationen rechnen allein in diesem Bereich mit mehr als einer Million Euro weniger Einnahmen.

Bei den Hilfsorganisationen sind insgesamt rund 7700 Berlinerinnen und Berliner ehrenamtlich tätig – die Hand in Hand mit Hauptamtlichen bei Einsätzen im Sanitäts- und Betreuungsdienst oder der Wasserrettung die Sicherheit der Berlinerinnen und Berliner gewährleisten.

„Unsere 320 Haupt- und 800 Ehrenamtlichen sind wegen der Coronakrise jetzt stark gefragt“, sagt Jörg Koch, Vorstand des Regionalverbandes der Johanniter in Berlin, dem Tagesspiegel. Die Hilfsorganisationen stehen mit Nachbarschaftsaktionen, Einkaufshilfe für Risikogruppen und erweiterten telefonischen Besuchsdiensten bereit, sie geben Schutzmasken aus und stehen für den Katastrophenschutz parat.

Es kommt viel weniger Geld rein

Sinkende Einnahmen stünden den steigenden Ausgaben gegenüber. „Wir mussten zu Beginn der Krise persönliche Schutzausrüstung zu horrenden Preisen beschaffen“, sagt Regionalvorstand Koch. Ehrenamtlichen war eine neue Dienstkleidung gekauft worden, die jetzt im Lager wartet, 100.000 Euro hat sie gekostet.

Auch wenn die Johanniter nicht bei Events wie dem Marathon oder dem Karneval der Kulturen im Einsatz sein können, muss doch die medizinische Ausrüstung einmal im Jahr technisch durchgecheckt werden.  

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ausstattung, Miete, all das ist zu zahlen, doch es kommt viel weniger Geld rein. Sonst sind die Johanniter federführender Partner aller Events vom Sport-Club Charlottenburg, die jetzt alle ausfallen, sagte Grit Schreck, Pressesprecherin der Johanniter-Unfall-Hilfe, Landesverband Berlin/Brandenburg.

Ausbildungen ausgesetzt

„Nicht zu unterschätzen sind auch die Einnahmeverluste durch die Absicherung unserer Sanitäter bei Veranstaltungen wie Betriebsfesten, politischen Treffen und TV-Aufzeichnungen. Die Coronakrise trifft schon die komplette Veranstaltungssaison von Frühjahr bis Sommer“, sagt Vorstand Jörg Koch. „In der Summe wird das am Ende des Jahres bei den Berliner Johannitern eine halbe Million Euro weniger Einnahmen ausmachen.“

Die zehn Mitarbeiter im Erste-Hilfe-Ausbildungszentrum sind auf Kurzarbeit. Die vier hauptamtlichen Mitarbeiter im Sanitätsdienst wurden laut Koch in die Hausnotrufzentrale und den Rettungsdienst versetzt. Das Ausbildungswesen ruht, auch hier lehrt man eng beieinander die Mund-zu-Mund-Beatmung und stabile Seitenlage.

Bei den Maltesern ist die Lage ähnlich. „Die Corona-Pandemie stellt auch den Malteser Hilfsdienst in Berlin vor wirtschaftliche Belastungen. Nahezu alle ehrenamtlichen Dienste sind betroffen, weil zentrale Einnahmequellen bei fortlaufenden Kosten von einem Tag auf den anderen weggebrochen sind – die Ausbildung, Sanitätsdienste, Fundraising und Mitgliederwerbung“, berichtet Henric Maes, Diözesangeschäftsführer des Malteser Hilfsdiensts.

„In einigen Bereichen fallen derzeit Einnahmen in fünfstelliger Höhe weg, gleichzeitig sind Zusatzkosten für die Beschaffung notwendiger Schutzausrüstung im sechsstelligen Bereich hinzugekommen. In einigen Diensten sind wir daher aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, für einige wenige Mitarbeiter Kurzarbeit zu beantragen.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Im ehren- und hauptamtlichen Sanitätsdienst lagen die Ausfälle bis Ende April im unteren fünfstelligen, bis Jahresende sei mit Ausfällen im sechsstelligen Bereich zu rechnen – Olympiastadion, Max-Schmeling-Halle, Zitadelle Spandau, ILA, nichts geht. Die Berliner Malteser verzeichnen im Bereich der Ausbildung Umsatzeinbußen bis 30. April im mittleren fünfstelligen Bereich.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Auch das DRK in Berlin bangt. „Ob wir das Frühchen-Patenschaftsprojekt und den Kinderkrankenhaus-Besuchsdienst nach den Einschränkungen wiederaufleben lassen können, ist ungewiss, da wir diese nur aus Eigenmitteln finanzieren. Allein für diese beiden Projekte bräuchten wir einen hohen fünfstelligen Betrag. Einige unserer Mitarbeiter sind bereits in Kurzarbeit, weitere werden womöglich folgen müssen. Momentan wird jede Ausgabe geprüft, von Neueinstellungen ganz zu schweigen“, sagt Katja Potzies, Geschäftsführerin des DRK-Kreisverbandes Berlin-Zentrum. Auch bei der DLRG Berlin wird anders gerechnet.

Es hagelt Absagen

„Sorgen machen uns Einnahmeausfälle aus derzeit nicht stattfindenden Kursen, Absicherungen und Dienstleistungen für Großveranstaltungen. Bei angenommenen gleichbleibenden ,Corona-Einschränkungen‘ bis zum Jahresende würden uns so geschätzt knapp 300.000 Euro an Einnahmen fehlen, sagt Michael Neiße, der Leiter Verbandskommunikation. „Wir gehen davon aus, dass getroffene Zusagen bezüglich der Zuschüsse für den Wasserrettungsdienst und den Katastrophenschutz vom Land Berlin eingehalten werden.

Diese Zuwendungen machen für den Wasserrettungsdienst gerade einmal knapp ein Sechstel der anfallenden Kosten aus. Der Rest wird aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanziert.“

Auch bei den Hilfsorganisationen selbst hagelt es Absagen: Allein beim DRK fallen der Landeswettbewerb der Bereitschaften und die Dankesfeier für die Ehrenamtlichen, die die Wuhan-Rückkehrer in den DRK Kliniken Berlin Köpenick betreut hatten, und Sanitätslehrgänge vom Jugendrotkreuz aus. Und die 70-Jahr-Feier? Steht in den Sternen.

Zur Startseite