zum Hauptinhalt
Helge Schneider hatte im Frühjahr seine Auftritte aufgrund einer Virus-Infektion absagen müssen und sich daraufhin aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.

© Thilo Rückeis

Helge Schneider im Interview: „Berlin ist nicht knorke“

Helge Schneider hat im Frühjahr viele Shows abgesagt, er war krank. Und wie geht’s ihm heute? Im Tagesspiegel-Interview spricht er über Arztbesuche, das Karriereende, kulturelle Ghettos und den neuen Flughafen.

Herr Schneider, im März mussten Sie Berlin krankheitsbedingt früher als geplant verlassen. Geht’s jetzt wieder besser?

Ich bin wieder gesund. Und passe jetzt auch auf. Mit der Ernährung: nur ab und zu einen Erdbeersekt.

Wie ernst war es damals?
Kurz bevor ich auftreten wollte, hatte ich 40 Grad Fieber, mir war schlecht. Ich war ja schon umgezogen, bin aber wieder ins Hotel – und dann kam auch schon der Notarzt.

Sie kommen oft und gerne nach Berlin. War es deshalb besonders bitter, nicht weiterspielen zu können?
Das hat mich damals natürlich sehr geschmerzt, weil es für mich ja auch das letzte Mal Admiralspalast war. Aber ich konnte einfach nicht weiterspielen, weil ich auch nicht wusste, was mit mir los war. Es hätte ja auch das Herz sein können. Ich habe da schon Horrorgeschichten gehört. Da sagt der Mann zur Frau, mir geht es nicht gut. Und sie sagt, geh’ doch mal zu Arzt. Dann sagt der Mann, nee lass mal, geht ins Bett und ist drei Stunden später tot. Das sind so Sachen, die passieren in diesem Alter, ich werde ja auch schon 57.

Helge Schneiders "Fressekonperenz" aus dem Jahr 2010

Sind Sie anfälliger als früher?
Das glaube ich nicht. Aber, schauen Sie, ich spiele ja vor weniger Leuten. Dafür aber umso öfter. Und muss deshalb viel mehr arbeiten als Peter Maffay, der einfach gleich ein ganzes Stadion voll macht. Wenn du dann aber so viele Auftritte hast wie ich, dann kommst du ja auch durch alle möglichen Gegenden. Durch die Kreidezeit, die Steinzeit, die Kohlezeit. Und da kann das schon mal sein, dass du dir was einfängst.

Malaria-Gebiet Nordrhein-Westfalen?
Ja. Richtig.

Schon im vergangenen Sommer mussten Sie ihre Tournee wegen Erschöpfung abbrechen. Sie sind seit ungefähr 20 Jahren auf Tour. Wann ist man zu alt für groben Unfug?
Ich glaube, nie. Überhaupt nicht. Ich habe jetzt wieder Helmut Schmidt im Fernsehen gesehen, der ist da ja komischerweise noch immer. Und den Leuten noch bekannter heute als früher, als er Kanzler war. Da saß er da wieder. Als Raucher. Das ist ja schon grober Unfug. Und jetzt hat er aus seinem Haus gleich noch ein Altersheim gemacht. Der Mann ist 92 und das ist der Beweis dafür, dass man nie zu alt ist für Quatsch.

Kann immer lustig sein krank machen?
Ich denke schon. Aber ich muss ja nicht immer lustig sein. Ich kann ja auch Musik machen. Komischerweise lachen die Leute dann trotzdem immer.

Ob Mülheim oder Berlin – „es ist genauso ein Scheiß wie alle anderen Kleinstädte“

Der Musiker, Schauspieler und Regisseur Schneider lebt in Mülheim an der Ruhr, einer Stadt mit 160 000 Einwohnern östlich von Duisburg. Am 30. August wird er 57 Jahre alt – und geht an jenem Tag arbeiten. Dann ist er in Berlin zu sehen, im Sommergarten auf dem Messegelände während der Internationalen Funkausstellung IFA.
Der Musiker, Schauspieler und Regisseur Schneider lebt in Mülheim an der Ruhr, einer Stadt mit 160 000 Einwohnern östlich von Duisburg. Am 30. August wird er 57 Jahre alt – und geht an jenem Tag arbeiten. Dann ist er in Berlin zu sehen, im Sommergarten auf dem Messegelände während der Internationalen Funkausstellung IFA.

© Thilo Rückeis

Nun sind Sie wieder hier, haben Sie eigentlich mehr als nur einen Koffer in Berlin?
Nein, eigentlich nicht. Hin und wieder fühle ich mich sogar ganz wohl hier, für ein paar Tage. Nur leben würde ich hier nicht wollen. Aber ich hatte diesmal einfach auch ein schlechtes Gewissen den Berlinern gegenüber. Immerhin musste ich ja gleich siebzehn Konzerte absagen. Das kann man auch nicht wiedergutmachen. Deshalb habe ich zu meinem Manager gesagt, dann mach wenigstens noch einmal einen Auftritt in Berlin klar. Ich muss das, glaube ich, jetzt abarbeiten.

Was spricht gegen Berlin als Lebensmittelpunkt?
Die Stadt war für mich immer schon ein kulturelles Ghetto. Und ist es immer noch. Um Berlin herum ist so ein Gedankenzaun, finde ich. In den Köpfen der Leute. Als Künstler hat es mich deshalb auch nie nach Berlin gezogen.

Der Regisseur Helmut Dietl bezeichnet Berlin-Mitte als preußische Quadratmeile, der dann schon etwas Provinzielles anhaftet.
Das stimmt ja auch wieder. Da hat der Dietl recht. Diese Quadratmeile, in der sich praktisch die ganze Politik abspielt, dieses ganze soziale und asoziale Gebilde einer Großstadt, das ist natürlich sehr provinziell.

Großstädte sind also generell nicht so Ihr Ding.
Kommt drauf an. Berlin ist einfach zu viel Krach für mich. Es gibt hier einfach zu viele Leute. Ich bin ja eher so’n bisschen auf’m Land zu Hause. Aber ich bin auch gerne in Almeria, in Spanien. In diese Stadt habe ich mich so ein bisschen verliebt. Dorthin fahre ich oft. Und vielleicht ziehe ich da jetzt auch ganz hin, weil ich ja bald Rentner werde. Vielleicht gehe ich nächstes Jahr gar nicht mehr auf Tournee. Das weiß ich aber jetzt noch nicht.

Gibt es eine ernsthafte Alternative zur Musik, den Tourneen?
Ich drehe jetzt erst mal endlich wieder einen Film. Kommissar 00 Schneider ist wieder im Einsatz. Nach 20 Jahren. Wir wollten das eigentlich in Spanien drehen. Aber aus Geldmangel werden wir Spanien jetzt in Mülheim nachbauen.

Also doch wieder zurück in die Heimat. Was unterscheidet den Berliner vom Mülheimer?
Ja, pass auf. In Mülheim gibt es einen kleinen Flughafen, da ist der Papst mal gelandet. Das ist ein Zeppelin-Flughafen. Damit haben wir kaum Probleme. Aber der Berliner ist natürlich ein ganz anderer Mensch. Da baut man einen neuen Flughafen in Schönefeld und der schöne Flughafen Tegel soll geschlossen werden. Als ich neulich da hin- und hergeflogen bin, habe ich gedacht, was soll eigentlich dieser Scheiß? Da haben Lobbyisten ihre Finger drin. Und so etwas gefällt mir nicht. Deshalb kann man auch nicht sagen, Berlin ist knorke. Es ist genauso ein Scheiß wie in allen anderen Kleinstädten.

Aus der Distanz betrachtet: Schon ziemlich lächerlich, was da gerade so abgeht, oder?

Dazu kann ich sagen: Ich habe selbst mal auf dem Bau gearbeitet. Das verzögert sich immer. Selbst auf kleinen Baustellen. Und wenn so ein Flughafen dann halt eineinhalb Jahre später fertig ist, dann ist das ja auch nicht so schlimm. Das ist menschlich. Ich kenne den Wowereit nicht, aber ich glaube schon, dass der mit Herz und Seele dabei ist.

Bisschen schade, dass der große Willy Brandt seinen Namen dafür hergeben musste?
Er konnte ja nicht mehr gefragt werden.

Das Gespräch führte Lucas Vogelsang.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false