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Berlin: Hellersdorf: Der vergessene Boulevard

Der Boulevard Kastanienallee hat schon bessere Zeiten erlebt. Hier wurde einst die Weinprinzessin des Bezirks Hellersdorf gekürt, es wurden Feste veranstaltet, und auf dem Marktplatz herrschte Trubel.

Der Boulevard Kastanienallee hat schon bessere Zeiten erlebt. Hier wurde einst die Weinprinzessin des Bezirks Hellersdorf gekürt, es wurden Feste veranstaltet, und auf dem Marktplatz herrschte Trubel. Mittlerweile ist es dort ruhig geworden: Kunden und Händler meiden die Einkaufsstraße nahe dem U- Bahnhof Hellersdorf. Von den etwa 80 Läden steht ungefähr die Hälfte leer. "Viele sind in das naheliegende Stadtteilzentrum Helle Mitte gezogen", sagt Heinz Kolberg vom PC-Shop.

Seit vor vier Jahren das Areal dort neu bebaut wurde, ist der Konkurrenzdruck für die Geschäftsleute in der Kastanienallee gewachsen. Die Einwohner nehmen den Boulevard kaum noch wahr. "Ich bekomme in der Hellen Mitte einfach mehr, das Angebot ist abwechslungsreicher", sagt eine junge Frau, die die alte Einkaufsstraße, wie viele andere auch, lediglich als Durchgangsstraße benutzt. Die rund 900 Meter lange Allee lädt wahrlich nicht zum Shoppen und Verweilen ein: Graffiti beschmierte Wände, leere Schaufenster. Doch nun hoffen die verbliebenen Händler wieder einmal auf Besserung. Wie berichtet, hat der US-amerikanische Fond "Lone-Star-Fund" (LSF) den Boulevard samt 3 100 Wohnungen in den benachbarten Straßen gekauft. Die Sanierung ist im Gange, 200 Quartiere sind bereits fertig, rund 1100 im Bau. "Im September beginnen wir am Boulevard", kündigt Rainer Uhde, Geschäftsführer der LSF Wohnpark Kastanienallee GmbH, an.

Geplant ist unter anderem der Anbau von Vordächern, damit die Händler ihre Waren draußen präsentieren können. Derzeit werden außerdem an den großen Hauptverkehrsstraßen Schilder aufgestellt, um für den etwas versteckt liegenden Boulevard zu werben. Dennoch betrachten die Gewerbetreibenden die Ankündigungen des neuen Eigentümers eher skeptisch. "Wir sind zu oft verschaukelt worden", sagt eine Mitarbeiterin des Musikhauses Hellersdorf. Denn als 1998 die Wohnungsbaugesellschaft Hellersdorf (WoGeHe) die Kastanienallee übernahm, wurde versprochen, das Gebiet attraktiver zu gestalten. Aber nichts passierte. Im Gegenteil: Auch immer mehr Mieter zogen weg. Die Fluktuation rund um den Boulevard betrug 16 Prozent - die höchste in Hellersdorf überhaupt.

Für den "Lone-Star-Fund", der vor 22 Jahren in Texas gegründet wurde und inzwischen weltweit agiert, ist die "Einkaufsstraße und das Drumherum etwas Besonderes", sagt Geschäftsführer Uhde. "Die Lage und das viele Grün sind einmalig und erfolgsversprechend." Deshalb habe man sich bewusst für dieses Areal entschieden. Derzeit verhandelt der LSF mit der WoGeHe über den Ankauf weiterer 2500 Wohnungen in Hellersdorf.

Am 15. September soll es auf dem Boulevard ein riesiges Fest geben. Uhde sagt, er sei bereits mit mehreren Gewerbetreibenden im Gespräch, die sich ansiedeln wollen. Den ersten Erfolg kann er bereits verbuchen: Ein Eis-Laden, der weggezogen war, kam zurück. Und angeblich will sich der Vermieter bei den Ladenmieten kompromissbereit zeigen. Trotzdem hat Heinz Kolberg vom PC- Shop andere Erfahrungen gemacht. "Auf meine Bitte, mir aufgrund der hohen Umsatzeinbußen entgegenzukommen, wurde bislang nicht reagiert", sagt der Hellersdorfer. Der Geschäftsmann setzt nun, was Eigenwerbung betrifft, aufs Internet. Er hat seine Homepage www.boulevard-kastanienallee.de ins Internet gestellt. "Vielleicht werden auf diese Weise mehr auf uns aufmerksam."

Der Boulevard Kastanienallee wurde einst vom DDR-Wohnungsbaukombinat Karl- Marx-Stadt entwickelt und erst Anfang der 90er Jahre fertig gestellt. Damals gab es nur zwei Einkaufsstraßen in Hellersdorf. Die Freiflächen zwischen den sechsgeschossigen Plattenbauten sind mit sieben Millionen Mark öffentlichem Geld gestaltet worden. Ein Grünbereich mit Rad- und Fußwegen, Spiel- und Marktplatz sowie ein Brunnen sind entstanden.

Steffi Bey

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