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Berlin: Helme für Radfahrer: Verkehrssenator setzt auf Einsicht statt Pflicht In diesem Jahr verunglückten bereits 19 Radler tödlich Auch Fahrrad-Club ADFC gegen Zwang zum Kopfschutz

Auch nach dem Tod eines siebenjährigen Jungen denkt niemand daran, Radfahrer per Gesetz zum Helm zu verpflichten. Das Kind war am Mittwoch in Prenzlauer Berg beim Zusammenstoß mit einem Laster gestürzt und hatte tödliche Kopfverletzungen erlitten.

Auch nach dem Tod eines siebenjährigen Jungen denkt niemand daran, Radfahrer per Gesetz zum Helm zu verpflichten. Das Kind war am Mittwoch in Prenzlauer Berg beim Zusammenstoß mit einem Laster gestürzt und hatte tödliche Kopfverletzungen erlitten. Der Junge trug keinen Helm, soll aber nach Zeugenaussagen bei Grün über die Fußgängerampel gefahren sein. Er war der 19. tödlich verunglückte Radfahrer in Berlin in diesem Jahr. Nur wenige Stunden danach verunglückte wiederum ein Kind mit dem Fahrrad.

Der 13-jährige Schüler war ebenfalls ohne Helm unterwegs und wurde in Hellersdorf von einem Auto angefahren. Das Kind überlebte mit Kopfverletzungen und Knochenbrüchen. Sowohl das Bundesverkehrsministerium als auch Berlins Verkehrssenator Peter Strieder setzen darauf, dass die Radfahrer freiwillig zum Schutzhelm greifen. Vor allem Eltern sollten mit gutem Beispiel vorangehen und bei Radtouren mit ihren Kindern ihren Kopf schützen, lautet eine Empfehlung.

Radfahrer, die sich ohne Helm auf ihren Drahtesel setzen, müssen bei einem Unfall damit rechnen, dass sie ihr restliches Leben gelähmt oder geistig behindert sind. Hirnschäden sind häufig die Folgen von Fahrradunfällen, denn in 86 Prozent aller Unglücksfälle erleiden Radler Kopfverletzungen. Manche nur eine Platzwunde, andere aber schwerste Hirnverletzungen: „Knochenbrüche können wir reparieren - ein zerstörtes Gehirn nicht“, sagte Professor Norbert Haas. Der Mediziner leitet die Unfallklinik der Charité. „Unser Ziel als Mediziner ist, dass jeder Radler einen Helm trägt.“

Die Lobby der Radfahrer, der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) lehnt eine Helmpflicht dennoch kategorisch ab und meint, dass bei gesetzlichem Zwang viele auf das Fahrrad verzichten würden: „Die positiven Gesundheitseffekte des Radfahrens, auch ohne Helm, gleichen die Gesundheitsgefährdung durch Verletzungen bei weitem aus. Deshalb bedeutet eine gesetzliche Regelung (…) einen Wohlfahrtsverlust für das Land“, heißt es auf der Internetseite des ADFC. Aber auch der Fahrrad-Club ist nicht grundsätzlich gegen einen schützenden Kopfschutz – nur sollte er freiwillig getragen werden. Viele Helme hätten schon schwere Kopfverletzungen verhindert, „ein umfassender Lebensretter sind sie allerdings nicht“. Die Klinik für Kinderchirurgie in Graz (Österreich) hat jedoch festgestellt, dass ein Helm das Risiko für Kopfverletzungen um 85 Prozent, das einer Hirnverletzung sogar um 88 Prozent reduziert. Fast zwei Drittel der Radfahrer mit Kopfverletzungen waren der Grazer Studie zufolge Kinder.

Gäbe es eine gesetzliche Helmpflicht, könnte die Polizei einen Verstoß bei Kindern nicht einmal ahnden. Bis 14 Jahre sind sie strafunmündig. Wer dagegen als Motorradfahrer ohne Helm fährt oder sich im Auto nicht anschnallt, ist in der Regel strafmündig und kann zur Rechenschaft gezogen werden.

Joachim Nehmzow von der Medizinischen Fachhochschule in Hannover versucht Kinder davon zu überzeugen, dass ein Helm sie schützt. Vor Schulklassen lassen Hochschulmitarbeiter ein rohes Ei fallen, das auf dem Boden zerplatzt. Ein zweites Ei, das von einem Miniaturhelm geschützt wird, bleibt nach dem Fall von der Schulbank heil.

Weiteres im Internet:

www.radwelt-online.de (siehe Aktuelles)

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