Herausforderung Winter: Unterwegs wie die Gletscherstürmer
Das Winterwetter birgt zahlreiche Tücken. Wie schützt man sich vor Ausrutschern? Spikes sind so begehrt wie selten.
Der Chef der „Sportsworld Skihütte“ am Bahnhof Zoo ist optimistisch. „Spätestens in der nächsten Wintersaison 2010/11 ist es mit den Ausrutschern vorbei“, sagt Jürgen Merker. „Dann gibt es erstmals Wanderschuhe mit ausfahrbaren Spikes.“ Doch derzeit müssen seine Kunden noch mit etwas weniger komfortablen Mitteln klarkommen. Die sind in der „Skihütte“ jetzt so stark gefragt, wie seit dem strengen Winter 1995 nicht mehr. Denn auch Freitag früh waren die Gehwege wieder derart rutschig, dass die Unfallstelle im Klinikum Friedrichshain einen „massiven Zustrom gestürzter Patienten“ meldete. Wer früh das Haus verließ, musste über glatte Bürgersteige balancieren. Schließlich hatte es am Vortag getaut, doch nachts war der Matsch gefroren. Wie schützt man sich davor, den Boden unter den Füßen zu verlieren?
Am besten, indem man es den Gletscherstürmern nachmacht. „Die Renner“, heißt es in Sportgeschäften, „sind derzeit Spikes zum Überziehen.“Es gibt aber ein Problem dabei. Die „Spiky plus-Helfer“ wie sie die Werbung anpreist, sind in Berlin nahezu ausverkauft. Schon mehr als 1000 Stück gingen in der „Skihütte“ über den Ladentisch, beim Outdoor-Ausrüster Globetrotter ist die Nachfrage gleichfalls „extrem hoch“. Doch Nachschub soll spätestens Anfang nächster Woche kommen. Zumal viele Spikys bereits vorbestellt sind. „Die Leute warten ungeduldig drauf“, sagt Claudia Zirn von Globetrotter.
Die Konstruktion ist einfach. Sechs Stahlstifte stecken in den Hülsen einer Gummihaut. Die zieht man vom Fußballen bis zur Ferse stramm über die Schuhsohle. Kosten: 20 bis 25 Euro für alle Größen. Sogar Stifte im 6er-Pack zum Auswechseln werden angeboten, denn wenn man den spitzbewehrten Gummi nicht schnell genug auf trockenem Steinboden wie im U-Bahnhof abstreift, nützen sich die einzelnen Spikes schnell ab. „Fürs Gletschereis oder so“, sagt eine Verkäuferin, seien die Überzieher allerdings nicht sicher genug. Die Spikys wurden entwickelt, um speziell Stadtbewohner in der Senkrechten zu halten.
Als luxuriöse Variante gibt es auch Schuh-Schneeketten, ein ausgetüfteltes System von Stahlfeder-Spiralen, die man wie ein Steigeisen anschnallt. Oder ausklappbare Eisfuß-Krallen für Gehstöcke. Doch Stöcke halten Experten für wenig hilfreich. „Wenn ihre Füße wegrutschen, können sie den Stock vergessen.“ Zumindest alte Hausmittel sollte man ergänzend benutzen. Solche Tipps finden sich derzeit in Internet-Foren. Da ist von Socken die Rede oder von Einmach-Gummis, die über die Sohlen gezogen, Halt geben sollen. Da wird vor Leder gewarnt und die gerippte Gummisohle empfohlen. Und gut gerüstet ist auch, wer Taucherutensilien besitzt. Neoprenfüßlinge sollen extrem rutschfest sein.
„Gehen Sie auf jeden Fall auf Nummer sicher“, rät Unfallchirurg Klaus Bierhenke vom Kreuzberger Urban-Krankenhaus auch jüngeren Leuten. Man überschätze sich leicht – und lande schnell in der Ambulanz mit den üblichen Oberschenkelhalsbrüchen, Hand- und Sprunggelenksfrakturen. So hat sich die Zahl der behandelten Brüche im Urban-Krankenhaus seit Jahresbeginn etwa verdreifacht.
Wer jedes Risiko ausschließen will, bleibt in diesen Tagen zu Hause, bestellt seine Einkäufe im Supermarkt und lässt sich alles anliefern. Bei Tengelmann/Kaisers ist der Bring-Service jetzt „stark gefragt“, und Bio-Lüske in Lichterfelde versorgt seit dem Wintereinbruch rund 30 Prozent mehr Kunden per Kurierdienst.
Das wird auch noch eine Weile so bleiben. Vom kommenden Wochenende an sollen die Temperaturen wieder auf minus vier bis zehn Grad abrutschen. „Bis Mitte Februar bleibt es voraussichtlich eiskalt“, prophezeien die Meteorologen.Jana Scholz, Christoph Stollowsky
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- showPaywallPiano:
- false