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Berlin: Herr der Harfen

Seit September ist der US-Komponist Sebastian Currier Stipendiat der American Academy am Wannsee Am Mittwoch wird er mit einem Konzert in der Berliner Philharmonie geehrt

Eigentlich wollte Sebastian Currier vor seinem Berlin-Aufenthalt noch schnell ein bisschen Deutsch lernen. Aber dann wurde sein Vater krank, und auch sonst gab es den Sommer über viel zu tun. Also muss es vorläufig bei „Bitte“ und „Dankeschön“ bleiben.

Sebastian Currier ist einer von neun Stipendiaten der American Academy, die seit September in der Institutsvilla am Wannsee leben. Dort arbeitet er tagsüber an neuen Kompositionen, abends fährt er oft in die Stadt und besucht die verschiedensten Konzerte: „Bei dem Angebot könnte ich ständig unterwegs sein.“ Auch am kommenden Mittwoch hat Currier schon etwas vor: Da wird er selbst in der Berliner Philharmonie mit einem Konzert geehrt. Fünf Stücke werden gespielt, zwei davon sind Uraufführungen. Currier selbst hat von den Proben noch nichts mitbekommen, erst am Montag will er in der Philharmonie vorbeischauen. Und gebenenfalls auch Tipps geben, aber bloß nicht zu viele: „Mit der Zeit habe ich mir eine gewisse Gelassenheit antrainiert. Wenn man die Musiker zu stark mit seinen eigenen Vorstellungen bedrängt, kann da nichts Gutes bei rauskommen.“

Mit seinen 46 Jahren hat sich Sebastian Currier weltweit einen Ruf als experimentierfreudiger Komponist erarbeitet. Seine Stücke werden in New York, Paris und Tokio gespielt, die Liste der Auszeichnungen ist lang. Sein neues Stück „Crossfade“, das am Mittwoch in der Philharmonie Premiere feiert, hat er für zwei Harfen geschrieben. Das sei natürlich recht ungewöhnlich, auch wenn vor ihm schon andere auf die Idee gekommen seien. Begriffe wie „modern“ oder „unkonventionell“ hört Currier sowieso nicht gerne – gerade im Vergleich zur zeitgenössischen Klassik-Szene in Deutschland sieht er sich selbst als beinahe konservativ: „Es hängt immer von der Perspektive ab. An der Universität der Künste zum Beispiel wird viel mehr experimentiert.“

Dass Sebastian Currier Komponist wurde, ist kein Zufall. Sein Vater war Orchestermusiker, seine Mutter ebenfalls Komponistin. Zu Hause gab es vier Klaviere und zahllose Gitarren und Streichinstrumente, allerdings wollte der Sohn von Klassik zunächst nichts wissen: Als er noch ein kleines Kind war, versuchte sein Vater ihm das Violinspiel beizubringen. „Das hat nicht geklappt, da hat er mich in Ruhe gelassen.“ Stattdessen klimperte Sebastian Currier lieber auf der Gitarre, gründete als Zehnjähriger eine Rockband. Irgendwann kam er dann von alleine darauf, dass ihm die Klassikplatten der Eltern mehr Freude machten als das Gitarrengeschrammel seiner Band: „Pop und Rock sind toll, aber Klassik kann Dir viel mehr bieten.“ Mehr Emotionen, mehr Abwechslung – da sei Rockmusik eben leider doch nur „ein ganz kleiner Ausschnitt des Möglichen“.

Mit 13 Jahren fing Currier an, seine ersten eigenen Stücke zu komponieren. Erinnern kann er sich nicht mehr an die frühen Werke, und wahrscheinlich sei das auch besser so: „Hoffentlich gibt es davon keine Aufzeichnungen mehr.“ Nach der Schule studierte Currier Gitarre und Komposition in New York. Das sei seine eigene Entscheidung gewesen und nicht die seiner Eltern. Schließlich seien beide vom liberalen Geist der 60er Jahre inspiriert gewesen und hätten wohl auch hingenommen, wenn er Banker, Metzger oder Taxifahrer geworden wäre.

Mittlerweile ist Currier selbst Assistant Professor an der Columbia University in New York. Unterrichten mache ihm zwar nicht so viel Spaß wie das Komponieren, sei aber deutlich einfacher, sagt er. Bis Ende Dezember werden seine Studenten noch auf ihn verzichten müssen, solange dauert sein Stipendium an der American Academy. Unter den neun Stipendiaten ist Currier der einzige Komponist unter Juristen, Schriftstellern, und Geisteswissenschaftlern. Das sei äußerst befruchtend, zusammen Zeit in der Villa am Wannsee zu verbringen und sich gegenseitig auszutauschen. Da komme er mal aus seinen Musikerkreisen raus und erfahre viel Neues. Was aber nicht heißen soll, dass Currier nun völlig in der Gruppe aufgeht: Als einige Stipendiaten in den Wannsee springen wollten, suchte er ganz schnell das Weite.

Für das Konzert am Mittwoch in der Berliner Philharmonie gibt es noch Karten. Bestellungen unter 25488999. Beginn ist 20 Uhr, um 19 Uhr gibt es eine Einführungsveranstaltung.

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