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Berlin: Herr T. in Not

Ein Vorzeige-Hausmeister soll gehen. Die Mieter in der Schöneberger Siedlung „Am Mühlenberg“ wehren sich

Herr T. ist ein Hausmeister, wie man ihn sich wünscht. Er erledigt pünktlich und akkurat seine Arbeit, auch nachts, wenn es sein muss, oder früh um fünf, wenn Schnee liegt. Er schimpft nicht, trinkt nicht, ist immer korrekt und freundlich. „Der ist einmalig, eine Koryphäe“, sagen die Mieter der Schöneberger Siedlung „Am Mühlenberg“, die er betreut. Jetzt soll Herr T. versetzt, seine Arbeit von einer Fremdfirma übernommen werden. Die Mieter protestieren, sammeln Unterschriften, hängen Protestbettlaken vor ihre Balkone. Herr T, so denkt man, kann sich freuen über so viel Solidarität und Anteilnahme. Aber Herr T. ist höchst unerfreut. „Die Protestaktion ist nicht in meinem Sinne“, sagt er. Und in die Zeitung möchte er schon gar nicht.

Ihren Anfang nahm die Hausmeister-T. -Affäre im „Café Mephisto“ am Rande der Siedlung in Sichtweite des Schöneberger Rathauses. Herr T. habe dort eher beiläufig erwähnt, dass es nun bald Schluss sei mit ihm als Hausmeister und Kümmerer, sagt Cafébesitzer Dieter Müller. Das sei für alle Beteiligten vielleicht nicht schön, aber dagegen machen könne man rein gar nichts. Ach nee, sagten die übrigen Cafébesucher. Machen könne man schon was.

Manuela Siemers, die den Widerstand koordiniert, sammelte Protestunterschriften. „Fast alle 400 Mieter haben sich eingetragen.“ Eine Versammlung wurde einberufen. So etwas habe es in der Siedlung noch nie gegeben, sagt Dieter Müller. „Bisher hatte ich das Gefühl, man lebt hier völlig anonym.“ Damit ist es zumindest für den Hausmeister jetzt vorbei. Auf einem Plakat steht: „Herr T. muss bleiben und die Umstrukturierungsmaßnahmen müssen weg.“

Herrn T. ist es sehr unangenehm, dass überall sein Name draufsteht. Er habe sich ja selbst entschieden zu gehen. „Ich will mich mal verändern.“ Die Wohnungsbaugesellschaft WIR, der die 60er- Jahre-Siedlung gehört, habe ihm einen anderen Posten angeboten. Doch die Mieter wittern ein abgekartetes Spiel. „Das sagt der nur so“, meint Frau Siemers. Herr T. sei weniger Bezahlung angedroht worden, wenn er nicht wechselt.

Das wird von der WIR dementiert. Alles sei im Einvernehmen geschehen, so Sprecher Volker Hartig. „Der Wohnungsbestand, den Herr T. bisher betreute, hat sich verkleinert. Das füllt keine volle Stelle.“ Künftig werde er in Spandau arbeiten, zu gleichen Konditionen. Der klassische Hausmeister ist bei der WIR ohnehin ein „biologisches Auslaufmodell“, so der interne Sprachgebrauch. Geht einer in Rente, wird sein Bezirk ausgeschrieben. Darauf bewerben sich Dienstleistungsfirmen, die günstiger anbieten können, weil ihre Leute weniger verdienen. Bei der WIR sind von zwölf Hausmeistern sechs übrig, 2006 werden es noch drei sein. Bisher hätten sich keine Mieter wegen des Verlustes ihres Hausmeisters beschwert, sagt ein WIR-Mitarbeiter. Viele seien sogar froh, ihren schnoddrigen Kiezzaren los zu sein.

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