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Herzchirurg Johannes Albes hat schon viele Herzen selbst operiert. Am Sonnabend wird er aber nicht selbst zum Skalpell greifen, sondern die Liveübertragung aus dem Hybrid-OP des Herzzentrums Brandenburg in Bernau kommentieren.

© Mike Wolff

Herzoperation live im Netz: Chirurgen operieren vor laufender Kamera

Wie Operationen am Herzen ablaufen, können Sie am heutigen Sonnabend am Bildschirm verfolgen. Der Tagesspiegel-Gesundheitsberater überträgt die Eingriffe live.

Leben heißt Verschleiß – und das gilt auch und vor allem für das Herz und den Kreislauf. Nicht nur die Gefäße können im Laufe des Lebens verkalken, sondern auch Herzklappen. Eine davon ist die Aortenklappe, das lebenswichtige Ventil zwischen der linken Herzkammer und der Hauptschlagader, die den Fluss des sauerstoffreichen Blutes aus der Lunge reguliert. Nimmt ihre Elastizität durch Verkalkungen ab, schließt sie nicht mehr richtig. Die Menschen leiden dann an Luftnot selbst bei geringsten Anstrengungen, einem Druckgefühl auf der Brust und Schwindelgefühlen.

Dann ist es Zeit, die natürliche Klappe zu ersetzen. Dafür sind aufwendige Eingriffe nötig. Eine konventionelle Operation verlangt dem Patienten einiges ab, da der Brustkorb weit geöffnet wird und die Chirurgen am offenen Herzen arbeiten. Birgt dieser Eingriff ein zu hohes Risiko, weichen die Ärzte immer öfter auf einen Eingriff mithilfe eines Katheters aus. Hierbei wird die künstliche Klappe statt in einer offenen Operation mit einem dünnen Schlauch durch die Gefäße bis ins Herz geschoben. Es geht aber auch beides – offene Herzoperation und gleichzeitiger Einsatz des Katheters.

Eingriffe können per Livestream verfolgt werden

Wie das genau aussieht, das kann man am heutigen Sonnabend live am Computerbildschirm verfolgen. Bereits zum fünften Mal überträgt der Tagesspiegel in Kooperation mit dem Immanuel Herzzentrum Brandenburg in Bernau live eine OP. Von zu Hause aus kann jedermann auf dem Portal www.gesundheitsberater-berlin.de per Livestream verschiedene Eingriffe am Herzen verfolgen. Das werden sogenannte Hybrid-Operationen sein, also eine Mischung aus offener OP und Herzkatheter-Einsatz.

Der Ort, der technisch beides ermöglicht, heißt folgerichtig Hybrid-Operationssaal. So wie mittlerweile viele Krankenhäuser verfügt auch das Herzzentrum in Bernau über einen solchen speziellen OP. Hier können Herzchirurgen zum Beispiel eine Aortenklappenprothese mittels einer minimalinvasiven, also Schlüsselloch-OP einpflanzen. Die Mediziner, die dieses Verfahren nutzen, sehen in solchen Operationen durchs Schlüsselloch klare Vorteile im Vergleich zu den anderen Methoden: kleinere Schnitte, kürzere Operationszeit, schnellere Genesung. Wir haben einen solchen Eingriff im Hybrid-OP der Bernauer Klinik beobachtet.

Das Herz wird in eine Art Winterschlaf versetzt

"Das chirurgische Vorgehen beim nahtfreien Aortenklappenersatz erinnert zunächst an die konventionelle Operation", sagt Johannes Albes, Chefarzt für Herzchirurgie im Herzzentrum Brandenburg: Dabei wird der Brustkorb des Patienten aufgesägt und das schlagende Herz freigelegt. Damit der Körper diese Situation gut überstehen kann, wird ein künstlicher Kreislauf geschaffen. Dazu wird der Patient an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, was für das Herz eine enorme Entlastung bedeutet.

Ist all diese Vorarbeit geleistet, trauen sich die Operateure an die Aorta genannte Hauptschlagader heran. Sie verläuft nach einer großen Windung im Oberkörper nach unten, um auch noch die entlegenste Stelle am Fuß mit sauerstoffreichem Blut versorgen zu können. Kurz unterhalb dieses Aortenbogens wird die Hauptschlagader für die Dauer des Eingriffes abgeklemmt, damit kein Blut dorthin zurückläuft, wo jetzt operiert wird. Gleichzeitig darf während der OP auch kein neues Blut nachgepumpt werden. Der Herzmuskel muss also stillgelegt werden. Das geschieht mit gekühltem Blut, das in 20-Minuten-Abstand durch den Muskel geleitet wird. Das Herz werde in eine Art Winterschlaf versetzt, sagt der Chirurg. "Das kann es über zwei Stunden gut durchhalten".

"Das kann das Herz über zwei Stunden gut durchhalten"

Entscheidend bei diesem Vorgehen, das sich nur wenig von einer konventionellen Herzklappen-OP am offenen Herzen unterscheidet, seien zwei innovative schonende Aspekte, sagt Herzchirurg Albes: "Der Brustkorb wird über einen sieben Zentimeter langen Hautschnitt nur zum Teil geöffnet, was die Atemtherapie nach dem Eingriff erleichtert und weniger Schmerzen aufkommen lässt." Im Schnitt seien die Patienten dann wieder schneller auf den Beinen. "Außerdem wird die Zeit an der Herz-Lungen-Maschine durch die geringere Gesamtbelastung stark reduziert."

Die drei Teile der verkalkten Aortenklappe, die zusammen etwa pflaumengroß sind, schneidet der Chirurg nacheinander heraus. Anschließend muss die neue hinein. Die muss in das alte Gefäß passen. Dazu bestimmt der Chirurg bereits vor dem Eingriff mit einer computertomografischen Aufnahme die Größe und gleicht diese während der OP mehrfach ab. Denn die Ersatzklappe darf nicht zu klein sein und muss das Gefäßinnere komplett abdichten, ohne mit der Gefäßwand vernäht zu werden – deshalb die Bezeichnung "nahtfrei".

Kritisch ist es, wenn die Aorta über drei Stunden abgeklemmt wird, da dann im Blut Zerfallsprozesse einsetzen. Die Herz-Lungen-Maschine könne sogar bis zu vier Stunden unproblematisch arbeiten, bis der Körper den künstlichen Kreislauf nicht mehr toleriere, sagt Albes.

"Für das Verfahren eignet sich fast jeder, der eine neue Aortenklappe braucht"

Nun wird es endlich Zeit, die neue Klappe einzusetzen. Sie wird zusammengedrückt in einem Drahtgeflecht auf einen Halteapparat aufgezogen. Diesen Stab positioniert der Chirurg zusammen mit drei Führungsnähten vorsichtig an der richtigen Stelle im Gefäß. Hier wird ein Ballon aufgepumpt, der das Drahtgeflecht mit der neuen Aortenklappe, die aus Rindergewebe besteht, aufspannt. "Dazu ist über rund zehn Sekunden ein Druck von fünf bar nötig, das ist mehr als in einem Fahrradschlauch", sagt Albes. Das Drahtgeflecht verkrallt sich im Gewebe, sitzt ohne Naht fest und sicher.

Anschließend werden die übrigen Haltevorrichtungen der Klappe entfernt. Der Herzchirurg näht die Aorta vorsichtig wieder zu, entfernt die Klemme und entlüftet die Hauptschlagader. Dieser letzte Schritt ist notwendig, damit keine eventuell im Gefäß gebliebenen Luftbläschen Blutgefäße verstopfen.

Weil der Eingriff so viel kürzer ist, sei er auch geeignet selbst bei Patienten, die gebrechlich sind oder unter schweren Nebenerkrankungen leiden und für die die OP-Zeit so kurz wie möglich gehalten werden müsse, sagt der Chefarzt. "Für das Verfahren eignet sich fast jeder, der eine neue Aortenklappe braucht."

Leonard Hillmann

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